Hochsommer in Göttingen, die Stadt glüht vor Hitze… – ein guter Grund für einen Ausflug ins Umland, um wenigstens für ein paar Stunden Sommerfrische zu genießen. Diesmal führt mich mein Weg in die Wilhelm-Busch-Mühle nach Ebergötzen. Das malerisch gelegene Dorf ist über die B 27 in nur 20 Minuten mit dem Auto erreichbar. Im Ort leiten mich zahlreiche Schilder zum Parkplatz in der Dorfmitte. Von hier aus ist es nur ein kurzer Fußweg unter schattigen Bäumen entlang eines kleinen Bachlaufs bis zur Mühle. Witwe Bolte, Max und Moritz weisen mir den Weg.
Historisches Fachwerkhaus
In der Mühle angekommen, atme ich erstmal auf. Trotz der Außentemperatur von 30 Grad ist es drinnen angenehm kühl. Marianne Tillmann empfängt heute die Besucherinnen und Besucher. Sie ist die gute Seele der Wilhelm-Busch-Mühle, in ihrer doppelten Funktion als Museumsführerin und Geschäftsführerin des Vereins Förderkreis Wilhelm-Busch-Stätten Ebergötzen. Als ich meinen Eintritt entrichte, erzählt sie mir, dass man es in dem Fachwerkhaus den ganzen Sommer über gut aushalten kann, allerdings wird es dafür im Winter auch nie so richtig warm. Vor- und Nachteile eines alten Gemäuers, denke ich mir. Einige Besucherinnen und Besucher schauen sich schon in der Mühle um. Ich darf mich Ihnen anschließen und bei einer Führung die alte Mühle in Aktion erleben.
Es klappert die Mühle
Marianne Tillmann erläutert uns anschaulich die historischen und technischen Details der Getreideverarbeitung. Dabei erfahre ich, dass die Getreidemühle bereits 1528 gebaut wurde. Das jetzige Gebäude ist etwa 300 Jahre alt. Hier betrieb die Familie Bachmann bis 1938 das Müllerhandwerk und hatte das Anwesen bis 1961 in Besitz. Danach verfiel es zunehmend und sollte abgerissen werden. Davor bewahrte es der Förderkreis Wilhelm-Busch-Mühle und eröffnete Ende der Siebzigerjahre das Museum.
Aber genug der Historie. Denn jetzt geht es los: Das große Wasserrad, das ich draußen schon gesehen habe, wird mittels Wasserkraft in Gang gesetzt und treibt das Mahlwerk an. Sofort setzt lautes Gerumpel ein, als sich die schweren Mühlsteine zu drehen beginnen. Kaum zu glauben, dass hier früher bis zu eine Tonne Mehl und drei Tonnen Schrot pro Tag gemahlen wurden. Dafür musste die Mühle Tag und Nacht laufen, während nebenan die Müllerburschen und Mägde schliefen. Wenn von Schlaf überhaupt die Rede sein konnte, denn das Mahlwerk musste permanent nachgefüllt werden, damit die Mahlsteine nicht heiß liefen. Wie heißt es doch in dem alten Kinderlied: „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp, klapp! Bei Tag und bei Nacht ist der Müller stets wach…“ – nur allzu wahr, denke ich. Dazu kam die körperliche Anstrengung, denn ein Sack Getreide wog bis zu zwei Zentner, also umgerechnet einhundert Kilogramm, und musste über eine steile Treppe zum Mahltrichter befördert werden. Einen Aufzug oder Flaschenzug gab es nicht. Die „gute, alte Zeit“ war kein Zuckerschlecken…
Wilhelm Busch als Vater des Comics
Nachdem wir die Mühle in Aktion erlebt haben, erhalten wir – mittlerweile sind noch weitere Gäste mit Kindern eingetroffen – in der „Guten Stube“ noch einen Einblick in das Leben des Namensgebers der Mühle, Wilhelm Busch. Er kam 1841 im Alter von neun Jahren in den Haushalt seines Onkels, der damals Pastor in Ebergötzen war. Busch sollte von ihm unterrichtet werden, weil sich die Familie den Besuch des Gymnasiums nicht leisten konnte. Später sagte Busch über diese Zeit, dass er “in Ebergötzen die schönsten Jahre meiner Kindheit“ verlebte. Dazu trug nicht zuletzt die Freundschaft zu dem Müllersohn Erich Bachmann bei, die ihn ein Leben lang begleitete. Schon früh entwickelte Busch ein großes zeichnerisches Talent und studierte später Malerei, zunächst an der Akademie in Düsseldorf. Berühmt wurde er aber nicht durch seine Gemälde, sondern durch seine oft humorvollen Bildergeschichten, Illustrationen und Gedichte, mit denen er seinen Lebensunterhalt verdiente. Busch gilt als Erfinder der Bildergeschichte, heute würde man Comic sagen. Weltruhm erlangte er mit seinem zweiten Buch „Max und Moritz“, zum dem ihn seine Kindheitserinnerungen an die Jahre in Ebergötzen inspiriert haben sollen. Tatsächlich ist eine gewisse Ähnlichkeit von Max (Erich) und Moritz (Wilhelm) zu Wilhelm Busch und Erich Bachmann nicht von der Hand zu weisen. Figuren wie die Witwe Bolte und Schneider Böck ähneln damaligen Dorfbewohnern, die sieben Streiche in der Bildergeschichte sind eine Mischung aus Dorfklatsch und eigenen Erlebnissen Buschs.
Welterfolg Max und Moritz
Das Buch „Max und Moritz“ gilt als das meistgelesene Kinderbuch der Welt. Es wurde bis heute in 80 Fremdsprachen und 120 Dialekte übersetzt. Einige Buchausgaben aus aller Welt sind in einem extra Ausstellungsraum im ersten Stockwerk der Mühle zu sehen. Darüber hinaus sind hier Beispiele von Werbung, Souvenirs und Marketing zusammengetragen, die zeigen, dass man mit Max und Moritz-Motiven gut Geld verdienen konnte. Anders als der Autor der Geschichte: Wilhelm Busch verkaufte seinerzeit das Urheberrecht des anfangs wenig beachteten Kinderbuchs für ein einmaliges Abfindungshonorar in der Höhe von 1000 Gulden – das entsprach damals etwa zwei Jahreslöhnen eines Handwerkers – an seinen Verleger Kaspar Braun. Der spätere Erfolg des Buchs verhalf diesem zu einem beachtlichen Vermögen.
Ländliche Idylle im Mühlengarten
Nach so viel Input zieht es mich nach draußen. Gegenüber der Mühle lädt der im Stil eines historischen Bauerngartens gestaltete Mühlengarten zur Entspannung ein. Ein kleiner Pavillon bietet ein schattiges Plätzchen, das große Insektenhotel wirbt mit „Zimmer frei“. Im Garten komme ich mit einem älteren Ehepaar aus Duderstadt ins Gespräch, das mit seiner Enkelin Marlene einen Ausflug nach Ebergötzen macht. Auf meine Frage an Marlene, ob sie die Geschichte von „Max und Moritz“ schon kennt, antwortet diese verschmitzt: „Na klar, die haben wir auch extra noch einmal gelesen, bevor wir hergekommen sind“. Dann hat sie keine Lust mehr, durch den Garten zu gehen und setzt sich in den Pavillon, um noch ein Bild in das bereitliegende Gästebuch zu malen.
Ausstellung in der Mühlenscheune
Leider ist die Ausstellung in der Mühlenscheune nebenan heute wegen eines technischen Defekts geschlossen. Marianne Tillmann öffnet mir trotzdem und versichert mir, dass in den nächsten Tagen alles repariert sein wird. Es erwarten mich Portraitfotos bekannter Personen aus Göttingen und Umgebung sowie ein Sammelsurium altmodischer Telefone. Noch bis Mitte Oktober kann man in dieser Audio-Ausstellung die Lieblingsgeschichten von Wilhelm Busch, vorgelesen von der jeweils portraitierten Person, hören. Marianne Tillmann verrät mir, dass der Göttinger Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler ein phantastischer Vorleser sei. Schade, das hätte ich mir gern angehört.
Mal wieder was von Busch lesen
Aber auch so geht ein schöner Nachmittag zu Ende. Beeindruckt hat mich, mit welchem Engagement hier die Erinnerung an Wilhelm Busch aufrechterhalten wird. Ich nehme mir fest vor, zuhause mal wieder in dem großen Band mit Buschs Werken zu stöbern, der schon unserem Opa gehörte.
Wenn ihr jetzt Lust auf einen Ausflug in die Vergangenheit bekommen habt, findet ihr alle Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen auf der Homepage der Wilhelm-Busch-Mühle.
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