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Vinyl-Läden: Gute Musik wird nie schlecht

18. Juni 2020
Musik hören, für den einen eher Nebenbei-Konsum, für den anderen eine Lebenseinstellung. Obwohl heute sämtliche Lieblingstitel zu jeder Zeit und überall per Streaming-Diensten verfügbar sind, ist eine ständig wachsende Parallelwelt zu beobachten. Immer mehr und auch junge Menschen interessieren sich wieder für die gute alte Vinyl-Schallplatte. Als die CD in den 80ern den Musikmarkt eroberte, […]

Musik hören, für den einen eher Nebenbei-Konsum, für den anderen eine Lebenseinstellung. Obwohl heute sämtliche Lieblingstitel zu jeder Zeit und überall per Streaming-Diensten verfügbar sind, ist eine ständig wachsende Parallelwelt zu beobachten. Immer mehr und auch junge Menschen interessieren sich wieder für die gute alte Vinyl-Schallplatte. Als die CD in den 80ern den Musikmarkt eroberte, habe auch ich die kleinen Silberlinge als Tonträger geschätzt und gekauft. Allerdings habe mich nie von meinem Technics-Plattenspieler und meinen alten Scheiben getrennt. Heute lege ich zuhause regelmäßig schwarze Scheiben auf und genieße die Musik dann sehr bewusst. Ab und an stöbere ich auf Flohmärkten nach Platten, die mir in meinem Bestand fehlen oder die ich mir früher schlichtweg nicht leisten konnte. Bequemer und vor allem qualitativ hochwertig kann ich der Plattenjagd aber in einigen Göttinger Geschäften nachgehen.

Klasse und Qualität machen es aus

Die lange Rille: Vinyl soweit das Auge reicht. Foto: Christoph Mischke

Hans Philipp Schubring begrüßt mich in seinem Vinyl-Reservat in der Roten Straße 17. Als erstes macht er mir einen leckeren Espresso. Fein, denke ich, so kommt Struktur in den Tag. Ich sehe Schallplatten, soweit das Auge reicht und möchte natürlich wissen wie viele es sind. Zur Antwort bekomme ich: „Die Menge ist gar nicht entscheidend, die Klasse und die Qualität machen es aus.“ Ok, wahrscheinlich hat er deshalb auch so viele überregionale Stammkunden, die mal eben zwei Stunden Anreise mit dem Auto in Kauf nehmen, um bei ihm zu stöbern. „Es gibt halt nicht so viele Plattenläden in Deutschland, die sich nicht nur auf eine Musikrichtung spezialisiert haben“, sagt er. Er bietet von Klassik, über Modern Jazz bis zu Blues und Rock alles, was das musikalische Herz begehrt. „Darunter sind auch top Raritäten“, verspricht er.

Boom-Zeit für Vinyl

Mit Spaß dabei: Hans Philipp Schubring fachsimpelt mit Tim. Foto: Christoph Mischke

Vinyl boomt: auch Jazz ist im Angebot. Foto: Christoph Mischke

„Wer seit 40 Jahren sammelt“, sagt der Plattenexperte, „der hat schon alles. Da musst Du Sachen haben, die man nicht so oft findet.“ Seit 10 Jahren hat er seinen Laden jetzt und die ersten Jahre waren hart, wie er betont. Seit 2019 ist das Vinyl-Reservat offizielle Veranstaltungsstätte, Label und Café. Für ihn ist der Schallplattenhandel nicht nur Geschäft sondern Berufung, denn nur so, wie er sagt, kann man es gut machen. Kurz gesagt: gute Scheiben, saubere Arbeit, gute Preise und Beratung sind das A und O. Momentan ist wieder Boom-Zeit für Vinyl, hat er festgestellt, deshalb haben auch die Ankaufspreise ziemlich angezogen. Viele Künstler veröffentlichen seit ein paar Jahren wieder verstärkt, manche sogar nur auf Vinyl, wobei die schwarzen Tonträger speziell im Hip-Hop nie ganz weg waren. Dienen sie den DJs doch als Arbeitsmittel. „Vor zehn Jahren hatten die bei Universal gelisteten Vinyl-Scheiben auf einer DIN-A4-Seite Platz, heute umfasst der Katalog 30 bis 40 Seiten“, beschreibt Hans Philipp.

Gesamtkunstwerk Langspielplatte

Kunstvoll: das Artwork einer Langspielplatte ist Sammlern wichtig. Foto: Christoph Mischke

Ich habe LPs immer auch als Gesamtkunstwerk gesehen. Das Artwork des Covers, die innenliegenden Songtexte, Liner-Notes oder Poster, der Geruch der Pappe oder auch farbiges Vinyl gehörten für mich immer zusammen. Einige Lieblingsplatten haben wir uns als Jugendliche sogar an die Wand gehängt. Das habe ich bei den kleinformatigen CDs immer am meisten vermisst. Die waren, trotz des guten Sounds, irgendwie seelenlos. Augenscheinlich sehen das inzwischen immer mehr Menschen wieder so, auch junge. Gerade verlässt Julian aus Duderstadt mit zwei Platten das Reservat. Schon lange hat der 27-jährige Duderstädter nach „The Beatles live in Hamburg“ gesucht und ist froh, sie jetzt in Händen zu halten. Eine Dave-Brubeck-Scheibe nimmt er, quasi als Beifang, auch mit. „Ich habe mit den Beatles gelernt Gitarre zu spielen“, sagt er lächelnd, „und die 50er und 60er Jahre sind genau mein Ding.“

Der Schallplatte treu geblieben

Leidenschaft: Sammler sind verrückt nach LPs. Foto: Christoph Mischke

Rainer Löwe hat seine Schallzentrale Anfang 2017 in der Gartenstraße 25 eröffnet. Zuvor hatte er seinen EDV-Job an den Nagel gehängt. „Ich war schon als kleines Kind verrückt nach LPs, nachdem ich Papas Plattenspieler entdeckt hatte“, sagt er. „Schließlich bekam ich einen eigenen und habe fortan Platten gesammelt.“ Er ist in den Siebzigern aufgewachsen, mit Glam-Rock und Punk und hat Beatles und Bowie genauso gesammelt wie Pink Floyd oder Yes. Manches, was es hier nicht gab, sogar aus England. „Ich bin der Schallplatte immer treu geblieben“, sagt er lachend. Seine Kundschaft sind nicht nur die „alten Säcke“, sondern auch junge Menschen. „Manche suchen nach alten, manche nach neuen Scheiben, die ich ihnen dann bestelle“, sagt Rainer.

Nach dem Vorbild der Eltern

Rarität: Rainer Löwe mit Beatles-Erstausgabe von 1963. Foto: Christoph Mischke

Das Ambiente stimmt: Keith und die Lava-Lampe. Foto: Christoph Mischke

„Die Älteren“, berichtet Rainer, „holen sich teilweise ihre alte Plattensammlung wieder, die sie beim Umstieg auf CD seinerzeit verkauft hatten. Die Jungen bauen sich, wohl nach dem Vorbild der Eltern, ihre eigene Sammlung auf“, vermutet der Plattenhändler. Ich sitze mit einem Kaffee vor der Raritäten-Kiste. Sie enthält seltene Scheiben aus der Zeit zwischen 1993 und 2008, wo die CD am besten lief. „Da haben die Companies von manchen Alben so ‘ne Art Alibi-Mini-Auflage auf Vinyl herausgebracht“, berichtet Rainer, „und die gehen im mittleren dreistelligen Bereich weg.“

Bootlegs von Springsteen und Pink Floyd

Nach wie vor hoch im Kurs: Platten deutscher Musiker. Foto: Christoph Mischke

45 U/min: auch rare Singles werden gehandelt. Foto: Christoph Mischke

Ich entdecke unter anderem die deutsche Erstausgabe von „With The Beatles“ aus 1963, die „Led Zeppelin II“ mit einem Fehldruck auf dem Label oder die audiophile Pressung von The Eagles‘ „Hell freezes over“. Darüber kommen Rainer und ich ins Plaudern, über alte Bootlegs von Springsteen oder Pink Floyd, die damals, zu Vor-Internet-Zeiten, noch schwer zu bekommen waren, und über die Begegnungen mit Musikern nach Live-Konzerten. So macht das Stöbern nach musikalischen Schätzen echt Spaß.

Bunte Mischung für Platten-Liebhaber

Generationenübergreifend: René Krieger sortiert seine Platten-Schätze. Foto: Christoph Mischke

Nicht nur Schallplatten: eine alte Donald-Duck-Figur. Foto: Christoph Mischke

Auch im Antiquariat René Krieger in der Kurzen Geismarstraße 17 werde ich bei der Suche nach Vinyl fündig – neben Büchern, CDs, DVDs, Comics und einer ganzen Reihe zauberhafter, alter Comic-Spielfiguren von Disney, Lucky Luke oder Asterix. Donalds Gesichtsausdruck auf dem sinkenden Ruderboot ist jedenfalls zum Brüllen. Seit 2011 bietet René den Platten-Liebhabern eine bunte Mischung aus Mainstream und Klassikern des Jazz, Krautrock, Rock und Pop, Punk und Weltmusik. Ein generationenübergreifendes Angebot von Beatles bis Stones, von Abba bis Pink Floyd. Letztere fehlen übrigens nirgends, „The Dark Side of the Moon“ mit dem markanten Prismen-Cover steht in jedem der Läden, die ich besucht habe.

Gegenpol zur digitalisierten Welt

Kreuz und quer durch dei Genres: musikalische Vielfalt in Vinyl. Foto: Christoph Mischke

Auch bei René zählen jede Menge junger Menschen zu den Kunden. „Vor allem wenn die neuen Studis anfangen, sehe ich jede Menge unbekannter Gesichter im Laden“, berichtet er. Seine Theorie ist, dass die jungen Kunden einerseits von den Eltern geprägt sind, aber andererseits auch einen Gegenpol zur digitalisierten Welt suchen. Sie haben einfach Spaß an dieser mechanischen Rille, die den Klang erzeugt. In gewisser Weise ist es auch eine Art Ehrerbietung vor der Kunst und den Künstlern und die Teilnahme an einer Zeit, zu der sie noch gar nicht gelebt haben.“ Die älteren Kunden sehen die Vervollständigung ihrer LP-Sammlung eher als Investment.

Vinyl und Musikkassette

Auf der Suche: Lars Wätzold stöbert gerne im Antiquariat. Foto: Christoph Mischke

Die Vinyl-Veröffentlichungen von Musikern steigen wieder an, hat René beobachtet und im Punk-Bereich wird sogar wieder verstärkt auf die gute alte Musikkassette gesetzt. Er selbst, sagt er, besitzt über 40 Jahre alte Tapes, die bis heute tadellos klingen. Rund 150 Tapes aus dem Rock- und Pop-Genre hat er im Angebot. Und es gibt augenscheinlich durchaus triftige Gründe Musikkassetten zu kaufen. „Neulich war jemand im Laden“, berichtet René, „der sich einen Oldtimer gekauft hatte. Dieser Wagen verfügte noch über einen Kassetten-Player im Autoradio und da war es für den Besitzer nur logisch, den auch mit entsprechenden Tapes zu füttern.“

Hendrix neben Abba

Bunter Musikmix: der Entertainment Store. Foto: Christoph Mischke

Das rockt: original verpackte Neuware. Foto: Christoph Mischke

Am Ende meiner kleinen Longplayer-Tour durch die City besuche ich den Entertainment Store in der Düsteren Straße 9. Hier ist Charles Redlich Herr über Tausende von Vinyl-Scheiben, die in Kisten, auf Wandbords oder in kleinen Vitrinen auf Musikliebhaber warten. Er selbst steht eher auf Rock und so hat der Hobby-Gitarrist während des Corona-Lockdowns sogar seine Klampfe wieder vom Dachboden geholt. „Ursprünglich waren wir Ende der Neunzigerjahre ein reiner DJ-Laden, der die Hardware und Vinyl aller elektronischer Stilrichtungen angeboten hat“, sagt Charly, aber wir vermieten noch DJ-Equipment. Heute bietet er seiner Kundschaft einen bunten Mix kreuz und quer durch die Musikrichtungen. „Bei uns stehen die Broilers neben Hendrix und Abba und Lou Reed neben Silbermond“, sagt Charly lachend. Ab und zu ist, wie ich sehe, auch die eine oder andere Jazz-Scheibe darunter.

Limitierte Box-Sets

Mit Punk sozialisiert: Charles Redlich mit Lieblingsplatte. Foto: Christoph Mischke

Wie schon in den anderen Plattenläden sind auch Charlys Kunden keiner speziellen Altersgruppe zuzuordnen. „Die jungen Plattenkäufer suchen aber vorwiegend Rock, Punk und alte Sachen“, hat er beobachtet. Einige interessieren sich auch für die meist limitierten Box-Sets von Led Zeppelin, Bob Dylan, Metallica oder Depeche Mode. Letztere haben deutlich die größte Abteilung im Entertainment Store. Charly bietet seine Platten ausschließlich original verpackt an, denn so wollen es die Sammler. „Sie kaufen die Scheibe im Zweifel zweimal, zum Sammeln und zum Hören.

Platten teils dreifach gekauft

Für jeden Musikgeschmack: Tausende von Vinyl-Scheiben. Foto: Christoph Mischke

„Wie bei den DJs früher“, erinnert er sich, „die haben ihre Platten teils dreifach gekauft, weil sie sie durchs Scratchen ganz fix durchgerockt haben.“ Hat Charly denn musikalische Vorlieben? Er verneint, ist da ziemlich flexibel, erzählt mir aber, dass er gerade wieder den 80er-Britpop für sich entdeckt hat und die „Sisters of Mercy“ derzeit bei ihm hoch im Kurs stehen. „Ach, weißt du“, sagt er schulterzuckend, „gute Musik wird niemals schlecht.“

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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