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Ammar Hatem hinterlässt Spuren

27. Juni 2019
Für ein ganzes Jahr hat der syrische Künstler Ammar Hatem als Artist in Residence das Team des Kulturzentrums KAZ verstärkt. Ende Juni wird er Göttingen verlassen und nach Berlin ziehen, um dort weiter zu arbeiten. Doch er hat Spuren in Göttingen und der Region hinterlassen. Zahlreiche Werke Hatems verbleiben im öffentlichen Raum. Mehr noch: Einige […]

Für ein ganzes Jahr hat der syrische Künstler Ammar Hatem als Artist in Residence das Team des Kulturzentrums KAZ verstärkt. Ende Juni wird er Göttingen verlassen und nach Berlin ziehen, um dort weiter zu arbeiten. Doch er hat Spuren in Göttingen und der Region hinterlassen. Zahlreiche Werke Hatems verbleiben im öffentlichen Raum. Mehr noch: Einige können und sollen benutzt werden, denn es handelt sich um Gesellschaftsspiele. Ich habe mich mit Ammar getroffen und mit ihm über seine Göttinger Zeit gesprochen.

Sonne, Mond und Sterne

War für ein Jahr in Göttingen: Der syrische Künstler Ammar Hatem. Foto: Christoph Mischke

Vor wenigen Tagen ist Ammars erfolgreiche Ausstellung „Ekliptik“ in der Marienkirche zu Ende gegangen. Wissenschaftlich bezeichnet die Ekliptik die scheinbare Bahn der Sonne vor dem Hintergrund der Fixsterne. Auch Ammar fragte als kleines Kind, warum das Jahr aus 12 Monaten besteht und welche Rolle Sonne, Mond und Sterne darin spielen. „Im Lauf der Zeit begann ich, nach der Bedeutung der Zeit und ihrer Symbole zu suchen“, sagt der Künstler. „Jeder Monat ist eine Legende für jedes Kapitel des Jahres“, lautet seine Definition, „ein Kampf, eine Kontroverse und jeden Tag eine neue Geschichte.“

Assemblage mit Sand und Steinen

“Ekliptik”: Ammars Ausstellung in der Marienkirche war ein Erfolg. Foto: Privat

Ammars Bilder sind in einer Technik entstanden, an der er seit sieben Jahren arbeitet. „Mixed Lapis Media“ nennt er die Kombination, die Malerei mit Naturmaterialien wie Sand und Steinen verbindet. Diese Art der Assemblage gefällt ihm in der Bildenden Kunst am besten, weil sie jedes Element im Universum zu einer möglichen Option für Malerei und Ausdruck macht. „Steine und Sand bedeuten mir sehr viel“, sagt er, „es ist Land, Erinnerung, Ort und Konstruktion. Die Bilder sowie die zugehörige Ausstellung sind im Rahmen des Projekts „Phönix – 12 Bilder für Niedersachsen“ entstanden, das vom Land Niedersachsen sowie dem Flüchtlingsfonds der Evangelischen Kirche Göttingen gefördert wurde. Ich freue mich, dass Ammar diese Bilder an Kultur- und Bildungseinrichtungen in der Region verschenkt und dass sie auf diese Weise vielen Menschen zugänglich bleiben. „Das Wichtigste“, sagt Ammar, „was ich in meinem bisherigen Leben gelernt habe, ist, dass der Ort immer variabel ist. Wir können nur eine Handvoll Sand oder Steine in den Händen halten.“

Allgegenwärtige Todesgefahr

In Sicherheit: Ammar flüchtete 2015 vor dem Krieg in Syrien. Foto: Christoph Mischke

Wie veränderbar ein Ort sein kann, hat er selbst am eigenen Leib erlebt. 2015 flüchtete er vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland. Mit ruhiger Stimme berichtet Ammar, wie das Haus, wo er und seine Freunde sich die Zeit mit Brettspielen vertrieben haben, mehrfach beschossen worden ist. „Es gab in Syrien häufig keinen Strom“, so sagt er mir, „da schieden der Fernseher oder ein Laptop zur Freizeitgestaltung aus.“ So haben sie bei Batterielampen, die alten Spiele genutzt oder sich selbst welche gebaut. „Lieber einen kleinen Konflikt am Spielbrett austragen, als den großen Krieg draußen erleben“, sagt Ammar rückblickend. Die Selbstverständlichkeit, mit der Ammar schildert, wie die Menschen versuchten, ein möglichst normales Leben zu führen, während um sie herum der Krieg tobte und die Todesgefahr allgegenwärtig war, lässt mich schaudern. Niemand, der so etwas nicht erleiden musste, kann ermessen, was Krieg für Menschen bedeutet und sollte je seine Stimme gegen Geflüchtete erheben.

 Jahrhunderte altes Brettspiel

Beliebt: Das “Mancala” steht in den Internationalen Gärten in Geismar. Foto: Privat

Was in Syrien aus der Not heraus geboren war, setzte Ammar in seiner Zeit als Artist in Residence im KAZ als Kunstprojekt um. Gemeinsam mit Menschen unterschiedlicher Herkunft baute er Gesellschaftsspiele für die Öffentlichkeit. Im Juli 2018 berichtete ich, seinerzeit noch für das Göttinger Tageblatt, über das erste Vorbereitungstreffen einer multikulturellen Gruppe von Menschen, die ein Mancala bauen wollten. Dieses Brettspiel wurde schon vor vielen Jahrhunderten in Ägypten und Äthiopien gespielt und weltweit gibt fast 1.000 Varianten dieses sogenannten „Gruben- und Kieselstein-Spiels“. Jeweils zwei Spieler treten gegeneinander an und versuchen, den Gegner durch Umverteilung der Steine zugunfähig zu machen. „Die Regeln sind recht einfach“, verspricht Ammar.

Mancala und Xiangqi

In fröhlichen Farben: Die Menschen spielen gerne “Mancala”. Foto: Privat

Das Mancala ist inzwischen fertig und steht, ähnlich wie ein Hochbeet, auf einem Gestell, das die Gruppe mit farbenfrohen afrikanischen Mustern verziert hat. Auf dem Gelände der Internationalen Gärten in Geismar, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wilhelm-Busch-Schule, wurde es am 15. Oktober vergangenen Jahres der Öffentlichkeit übergeben und erfreut sich dort großer Beliebtheit. Ich denke, ich werde das Spiel demnächst auch einmal mit meiner Familie oder mit den Nachbarn ausprobieren, denn es liegt in Laufweite zu meinem Zuhause. Ammar und seine Mitstreiter haben mittlerweile noch zwei weitere Spiele fertiggestellt. Ein chinesisches Schachspiel „Xiangqi“ hat seine Heimat im Umbau-Ausweichquartier „Kultur am Wall“ des Jungen Theaters sowie des KAZ an der Bürgerstraße gefunden. Das Spielfeld ist überdacht und die zugehörigen schwarz-roten gedrechselten Figuren können im KAZ ausgeliehen werden.

Nachbau des Königsspiels

Königspiel: Ammar mit den handgefertigten Tonkacheln. Foto: Christoph Mischke

Ich bin sehr gespannt, wie das dritte Spiel endgültig aussehen wird, das sogenannte „Königsspiel“. Es gilt als das älteste bekannte Spiel, dessen Spielregeln aufgrund einer Keilschrifttafel entziffert werden konnten. Es stammt aus dem Königsfriedhof von Ur im heutigen Südirak, der in die Zeit um 2600 vor Christus datiert wird. Der britische Archäologe Sir Charles Leonard Woolley fand das Brettspiel bei seiner Ausgrabung der Königsgräber in den 1920er Jahren. Eines der originalen Spielbretter ist im British Museum in London ausgestellt. Ammar hat sich Fotos des Originals angesehen und die Spielfelder, die aus zentimeterdicken Tonkacheln bestehen, gemeinsam mit fünf Partnern aus einem Sprachkurs nachgearbeitet. Ich durfte bereits einen Blick auf die bemalten und glasierten Fliesen werfen und bin beeindruckt.

Kultur von allen und für alle

Nachbau des Originals: Ammar legt die Kacheln in festgelegter Form aus. Foto: Christoph Mischke

Augen, Sterne und geometrische Muster: Das Königsspiel. Foto: Christoph Mischke

Ammar hat sie mir in der Keller-Werkstatt des KAZ bereits so drapiert, wie sie später auch im fertigen Spiel angeordnet sein werden. Ich erkenne Sterne, Augen und geometrische Muster auf den Tonkacheln, teils mit Vertiefungen und staune ob der rauen Schönheit der weißgrundigen Quadrate. Insgeheim freue ich mich, dass Gesellschaftsspiele auch in der heutigen digitalen Welt für viele Menschen immer noch eine große Rolle spielen. „Einen Platz für das Spiel gibt es auch schon“, berichtet mir Ammar sichtlich erfreut. „Es wird hinter dem Kulturwissenschaftlichen Zentrum (KWZ) der Universität am Heinrich-Düker-Weg in einer Grünanlage aufgestellt.“ So können die Studierenden Kultur im gemeinsamen Spiel und auf lebendige Art erfahren. „Kultur von allen und für alle“ sagt Ammar“, „und ohne großen Aufwand.“

Ein Wiedersehen ist wahrscheinlich

Ammar Hatem wird Göttingen in Richtung Berlin verlassen, um dort weiter zu arbeiten, zu studieren und seinen Master in freier Kunst machen. Ich freue mich für ihn, obwohl sein Weggang für Göttingen ein Verlust ist. Doch Ammar macht mir Hoffnung. „Es gibt noch sehr viele Nachfragen hier nach Spielen für den öffentlichen Raum“, sagt er“, so dass ihr mich sicher wiedersehen werdet.

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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