Seine Erinnerungen sind sicher ursächlich dafür, dass der Diakon seit Jahrzehnten alles rund um das Thema Weihnachten sammelt. Einen winzig kleinen Teil seiner umfangreichen Sammelleidenschaft stellt er ab sofort in den Innenstadtkirchen St. Albani und St. Johannis aus.
Ausstellung in Albanikirche
Erzgebirgische Schnitzkunst
In der Albanikirche könnt ihr die Ausstellung „Zu Besuch im Erzgebirge…“ erleben. Ich habe mit dem Sammler vorab schon einmal einen Blick auf die liebevoll zusammengestellten Exponate geworfen.
Auf langen geschmückten Tischen sind viele Räuchermännchen aufgebaut. „Ich habe sie gezählt, es sind 114 Stück“, sagt Küsterin Patricia Heppeler, die uns begleitet, lächelnd.
Hier zeigt sich die Tradition der erzgebirgischen Schnitzkunst in ihrer ganzen Vielfalt. Beinahe sämtliche Berufsgruppen sind vertreten. Es gibt Drehorgelspieler, einen Zahnarzt, einen Koch und sogar einen Bahnschaffner mit Kelle in der Hand.

Historische Originalverpackungen
Allen gemeinsam ist der zum großen O geöffnete Mund, aus dem der duftende Rauch entweichen kann.
Zwischen den farbenfrohen Räucherfiguren aus vielen Jahrzehnten liegen stilecht die bunten Räucherkegel – teils lose, teils in ihren ebenfalls historischen Originalverpackungen.
Ich entdecke Duftvarianten wie „Waldhonig“, „Sandelholz“, „Spekulatius“ und natürlich „Weihrauch“.
Nussknacker aus Privatbesitz
Auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchenschiffs geht es ebenso farbenprächtig und historisch weiter. Hier haben der Diakon und die Küsterin auf glänzend blauen Tischdecken die Nussknacker aufgebaut.
Die älteren Modelle erkennt man an der dezenteren Färbung und, wie Wolfgang Ziehe anmerkt, an den sichtbaren Gebrauchsspuren.
Schließlich stammen die meisten Exponate von Flohmärkten oder wurden ihm direkt aus Privatbesitz angeboten. „Nein“, sagt er, „ein Lieblingsstück habe ich nicht“, und fügt hinzu, „ein Sammler sammelt halt.“
Filigranes Engelgeläute
In einer Glasvitrine ist ein seltsam anmutendes Gebilde ausgestellt. Ein historisches Engelgeläute, wie mir der Experte erklärt. Rund 50 verschiedene dieser diffizilen Konstruktionen besitzt Ziehe, hat aber leider nicht so viele Vitrinen, um die empfindlichen Exponate geschützt ausstellen zu können.
Im Prinzip sind es Christbaumspitzen, deren Metall-Flügelrad von der aufsteigenden Wärme echter Kerzen angetrieben wird, so wie bei einer Weihnachtspyramide.

Christbaumkugeln und Bergmannsfiguren
Neben einigen sehr alten Christbaumkugeln, samt dazugehörigen Formstempeln aus Ton, und den berühmten Lauschaer Glasvögeln, könnt ihr auch eine seltene Decken-Weihnachtspyramide aus der Sammlung Ziehe bestaunen.
Beeindruckend ist der geschichtliche Hintergrund der ausgestellten Kerzenleuchter, die entweder als Engel oder als Bergmann dargestellt sind. Bereits im 17. Jahrhundert wurden in den Kirchen des Erzgebirges Bergmannsfiguren als Kerzenständer verwendet.
Die Sehnsucht der Bergmänner nach Licht und Wärme in der dunklen und kalten Jahreszeit wurde fester Bestandteil aller Erzgebirgler.
Nicht aus Langeweile geschnitzt
Das Licht gilt als Symbol von Gesundheit und Leben. Die Arbeit unter Tage war hart, schwer und gefährlich. Ging der Bergmann zu nachtschlafender Zeit auf Schicht, hatte die Familie nur einen Wunsch: „Komm gesund wieder!“
Und so leuchtete dem Kumpel in der Advents- und Weihnachtszeit für jedes seiner Kinder ein eigener Leuchter im Fenster buchstäblich heim, für Jungen ein Bergmann und für Mädchen ein Engel.
„Das spiegelt die Frömmigkeit der Menschen wider“, berichtet der Diakon, „denn die Bergleute haben ja nicht aus Langeweile geschnitzt.“
Früher war mehr Lametta
Ein weiteres Spiegelbild der Zeitgeschichte sind die zahllosen Lametta-Verpackungen, die der Sammler zusammengetragen hat – mit Inhalt.
„So etwas sammelt ja sonst niemand, Museen schon gar nicht“, stellt er fest. Genau wie die weihnachtlichen Schmuck- und Lackbildchen, die Gebäckteller aus Pappe, die alten Keksdosen und Plätzchen-Ausstecher.
Ausstellung in St. Johannis
Historische Adventskalender
Für Wolfgang Ziehes Sammlerstücke reicht eine Kirche bei weitem nicht aus. Deshalb präsentiert er eine weitere Ausstellung in der vor kurzem fertig renovierten Markt- und Ratskirche St. Johannis.
Hier dreht sich alles um historische Adventskalender, die noch nie in Göttingen gezeigt wurden. Noch bevor mir der Weihnachts-Fan ausgewählte Kalender vorstellt, zeigt er mir vorsichtig einige Christbaumanhänger.

Originale von 1895
Die Christbaumanhänger stammen nicht aus seiner eigenen Sammlung, sondern sind eine persönliche Leihgabe der Kuratorin der Staatlichen Museen Berlin.
Zwölf mit religiösen Motiven bedruckte Kärtchen in Blattform hat er überlassen bekommen, auf deren Rückseite Bibelverse zitiert werden. „Das sind Originale von 1895“, sagt der Diakon stolz, „die bekommen eine eigene Vitrine.“
Um sie nicht zu beschädigen, zeigt er mir stattdessen einige ebenfalls historische Anhänger, die er aus Privatbesitz erworben hat.
Ein Kalender origineller als der andere
Ein Kalender ist schöner, origineller und seltener als der Andere. Sie werden in großformatigen Rahmen an den Wänden des Kirchenschiffs gezeigt.
Zu sehen gibt es die Kalender des Freiberger Malers und Grafikers Helmut Rudolph beispielsweise, deren farbenfrohe und mit Spruchbändern versehene Motive er in den 50er-Jahren entworfen hat.
Oder der erste Kalender Deutschlands, der Türchen zum Öffnen hatte – ein Original von Dora Baum, das sie 1920 entworfen hat.
Ein wenig anders: ein runder Glitzerkalender.
Jugendstil oder Weihnachtsmann
Wolfgang Ziehe zeigt mir eine Adventsuhr aus mehrlagiger Pappe. Wenn man unten an dem kleinen Rädchen dreht, wechselt das Datum und in den oberen Fenstern erscheinen verschiedene Engel, ein Springteufel, Rentiere und schließlich das Christkind. Mir fällt auf, dass manche Kalender nur 19 Türchen besitzen.
„Das stimmt“, bestätigt Wolfgang Ziehe, „viele historische Kalender begannen erst am Nikolaustag.“ Es gibt in der Ausstellung viele Stücke zu sehen, die es in dieser Form lange schon nicht mehr gibt: Jugendstil-Kalender, runde Kalender oder in Weihnachtsmann-Form.
Auch die klassischen Glitzer-Kalender, wie sie in den 60er- und 70er-Jahren en vogue waren, könnt ihr sehen. Nach und nach wichen die christlichen Abbildungen zugunsten eher profaner Darstellungen. Das ist auch in der Ausstellung zu erleben.
Nackte Tatsachen
Gezeigt werden auch Kalender, die Geschäfte, Firmen und Großkonzerne als Werbung an ihre Kunden abgaben.
In einem Rahmen wird es sogar ein wenig frivol. Die überklebten nackten Tatsachen zweier älterer Playboy-Adventskalender fallen zuerst ins Auge, aber das gezeichnete, auf den ersten Blick völlig unverfänglich erscheinende Modell daneben, hat es, zumindest nach früheren Moralvorstellungen, weit mehr in sich. Sodom und Gomorra werden damals wohl einige ausgerufen haben.
Schaut euch das am besten selbst einmal an. Die Öffnungszeiten findet ihr auf den Webseiten der Kirchen.