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Eine internationale Familie: das Göttinger Symphonie Orchester

10. September 2020
Göttingen ist als Universitätsstadt, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort schon immer multikulturell aufgestellt gewesen. Das zeigt sich im Straßenbild ebenso, wie in Firmen, Schulen, Vereinen und auf Veranstaltungen. Auch unser Göttinger Symphonie Orchester ist international besetzt. Musiker*innen aus rund 25 Nationen spielen in Göttingens bekanntestem musikalischen Aushängeschild und auch sein künstlerischer Leiter und Chefdirigent bildet da keine […]

Göttingen ist als Universitätsstadt, Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort schon immer multikulturell aufgestellt gewesen. Das zeigt sich im Straßenbild ebenso, wie in Firmen, Schulen, Vereinen und auf Veranstaltungen. Auch unser Göttinger Symphonie Orchester ist international besetzt. Musiker*innen aus rund 25 Nationen spielen in Göttingens bekanntestem musikalischen Aushängeschild und auch sein künstlerischer Leiter und Chefdirigent bildet da keine Ausnahme. Der Australier Nicholas Milton ist das Kind seiner französischen Mutter und seines ungarischen Vaters. Ich durfte bei den Proben des GSO für die gerade gestartete Saison in der Lokhalle dabei sein. Lest, wie sich diese Vielfalt der Ethnien und Kulturen in der Sprache der Musik auswirkt, und was die Musiker von der Stadt, in der sie leben, halten.

Ausgewogen und bombastisch

Genug Platz: Das GSO darf in der Lokhalle proben. Foto: Christoph Mischke

Zufrieden: Chefdirigent Nicholas Milton und Tonmeister Carsten Kümmel. Foto: Christoph Mischke

Die letzten Probentakte von „Finlandia“ ertönen in der preisgekrönten Eventlocation an der Bahnhofsallee. Der Sound klingt für meine ungeübten Ohren schon jetzt, in der menschenleeren Halle, gleichermaßen ausgewogen und bombastisch. So empfinden das wohl auch Nicholas Milton und Tonmeister Carsten Kümmel, die am Mischpult zufrieden nicken. Nach einigen Hinweisen an das Orchester per Mikrofon, dirigiert der Generalmusikdirektor noch einige Passagen, bevor es in die Pause geht. Nie war die Wartezeit auf Gesprächspartner so angenehm wie im Augenblick.

Endlich wieder vor Publikum

Freut sich über den Restart: Schlagzeuger Sergey Mikhaylenko. Foto: Christoph Mischke

Während der Unterbrechung treffe ich Sergey Mikhaylenko. Der 26-jährige Russe stammt aus Nowosibirsk, hat in Österreich studiert, und spielt seit 2017 im GSO Schlagzeug. „ Ich lebe in Göttingen, pendele aber derzeit ständig nach Berlin“, sagt der sympathische junge Mann, „denn ich studiere dort meinen Master in Schlagzeug und Pauke zu Ende.“ Wow, denke ich. Sergey ist die Freude, endlich wieder proben und vor Publikum spielen zu dürfen, deutlich anzumerken. Ich denke, das gilt auch für alle anderen Musiker, denn derart glänzende Augen können nicht lügen.

Kultureller Mix

Industriedenkmal: intensive Proben vor leeren Stuhlreihen. Foto: Christoph Mischke

Den kulturellen Mix im Orchester empfindet Sergey als Bereicherung, was, wie er sagt, auch für das gesamte Leben in der Stadt gilt. Für ihn ist es interessant zu beobachten, wie russische Komponisten hier interpretiert werden, „denn“, sagt er lächelnd, „viele Stücke habe ich in meiner Heimat schon als Kind gehört.“ In Göttingen sieht er viel Geschichte in einer Stadt voller junger Menschen. „Die Leute hier sind sehr offen“, beschreibt er, „eine gute Mischung aus Tradition und nach vorne schauen.“ Hat er einen Lieblingsplatz in der Stadt? „Oh ja“, schwärmt er, „mein absoluter Traumplatz ist der Alte Botanische Garten.“ Glück für ihn und alle anderen Besucher, dass er seit wenigen Tagen wieder geöffnet ist.

Sehnsucht nach den guten Zeiten

Nazelí Arsenyan: “Deutschland hat die besten Orchester der Welt.” Foto: Christoph Mischke

Auch die zweite Musikerin, mit der ich mich unterhalte, ist in Göttingen gerne im Grünen unterwegs. Nazelí Arsenyan lebt seit 2013 in Deutschland, hat in Köln ihren 2. Master für Solokammermusik studiert und spielt im Orchester bei den ersten Violinen. Als ihre Lieblingsorte nennt sie den Kiessee, die Leinewiesen und den Göttinger Stadtwald. Auch die Umgebung des Walls am Deutschen Theater und die Fußgängerzone mit ihrer Lebendigkeit haben es ihr angetan. „Ich mag auch die Uni-Aula sehr“, berichtet die Armenierin, und es klingt voller Sehnsucht, wenn sie hinzufügt: „Dort, wo wir in guten Zeiten gespielt haben.“

Die Musik bringt uns zusammen

Voller Einsatz für die Musik: Milton und das GSO wissen zu verzaubern. Foto: Christoph Mischke

Augenscheinlich bessern sich diese verrückten Zeiten ja gerade wieder, denn das GSO kann dankenswerterweise in der Lokhalle proben und auch endlich wieder vor Publikum spielen. Wenn auch in kleinerem Rahmen als gewohnt. Alle kommenden Termine des GSO findet ihr hier. Tickets bekommt ihr in der Tourist-Info am Alten Rathaus oder unter gso-online.de. „Deutschland hat die besten Orchester der Welt“, sagt Nazelí Arsenyan voller Überzeugung. Die vielen unterschiedlichen Nationalitäten im GSO sieht die Geigerin ausschließlich positiv. „Natürlich ist die Kommunikation unterschiedlich“, sagt sie, „ebenso wie die Art und Weise Emotionen auszudrücken, aber die Musik bringt uns mit allen Facetten zusammen.“

Positive Einflüsse

“Mit einer Sprache sprechen”: die zweite Konzertmeisterin Seayoung Kim. Foto: Christoph Mischke

Dem kann Seayoung Kim nur beipflichten. Die zweite Konzertmeisterin des GSO stammt aus Südkoreas Hauptstadt Seoul und lebt seit 2011 in Deutschland. Die Violinistin spürt die positiven Einflüsse, die sich durch die verschiedenen Kulturen in der Musik vereinigen, denn: „Wir Musiker sprechen doch mit einer Sprache“, sagt sie. Mit ihrem Ehemann geht sie häufig auf den Schillerwiesen oder im Molkengrund spazieren, weil es dort, wie überhaupt in der ganzen Stadt, so schön grün ist. Außerdem ist sie gerne mit dem Fahrrad unterwegs. „Die Fahrradwege in Göttingen“, lobt sie, „sind so viel besser als in Hamburg, wo ich studiert habe.“

Mutter Französin, Vater Ungar

Sein multikultureller Hintergrund bracht ihn zur Musik: Nicholas Milton. Foto: Christoph Mischke

Was aber sagt der Mann, bei dem alle musikalischen Fäden zusammenlaufen, zu diesem bunten kulturellen Mix in seinem erfolgreichen und vielgelobten Klangkörper? Vor Ende der Probenpause nimmt sich auch Chefdirigent Nicholas Milton Zeit, um mit mir zu sprechen. „Ich bin überhaupt nur aufgrund meines multikulturellen Hintergrunds zur Musik gekommen“, berichtet Nicholas. „Meine Mutti ist Französin und mein Papa stammt aus Ungarn. Während ihrer Flitterwochen in Budapest, hörte meine Mutti zum ersten Mal eine Zigeunergeige und war fortan der Meinung, alle ihre Kinder sollten Geiger werden. Nun ja, so ist es auch gekommen, meine vier Brüder, von denen einer leider verstorben ist, und ich haben alle Violine gelernt und alle spielen in einem Orchester.“

Unterschiedliche Kultur schafft Flexibilität

Endlich wieder vor Publikum: Der Saisonstart war ein voller Erfolg. Foto: Christoph Mischke

Ich staune und freue mich über die Offenheit, mit der mir der charismatische Orchesterchef begegnet. „Diese Internationalität ist eine wahre Bereicherung“, fährt er fort, „denn jeder bringt seine Kultur mit und diese Kultur schafft eine Flexibilität.“ Musiker sind offen, befindet der künstlerische Leiter, ganz gleich, ob sie aus Europa, Asien oder Südamerika kommen. „Wir machen alle dieselbe Reise, diese endlose Reise, tief in die Musik.“ Seiner Meinung nach muss englische Musik auch englisch klingen und russische Musik halt russisch. „Wenn ich dem Orchester sage, ich brauche den runden, schweren Wagner-Klang, dann wissen alle, was zu tun ist.“

Die Herzen müssen glühen

Ein charismatischer Mensch: Chefdirigent Nicholas Milton. Foto: Christoph Mischke

Nicholas begreift das Orchester mit seinen unterschiedlichen Charakteren als eine Art Familie. „Wir halten zusammen, wir machen Kompromisse, wir gehen quasi gemeinsam durchs Leben.“ Dabei legt er großen Wert darauf, dass das Publikum auch immer Teil dieser erweiterten Familie ist. „Die Besucher müssen bewegt sein“, beschreibt er aus voller Überzeugung, „ihre Herzen müssen glühen.“

Tränen vor Heimweh

Bejubelt: Saisoneröffnung in der preisgekrönten Eventlocation. Foto: Christoph Mischke

Auch das Orchester selbst wird mitunter zum Gradmesser der Emotionalität herangezogen. Beispiel „Finlandia“, die sinfonische Dichtung des finnischen Komponisten Jean Sibelius, die später weiter geprobt werden wird. Nicholas, der selbst in Finnland, auf der besten Dirigentenschule, wie er sagt, studiert hat, kann den Patriotismus der Finnen gut nachvollziehen. Vor dem historischen Hintergrund des Landes ist „Finlandia“ nämlich zur heimlichen Nationalhymne avanciert. „Wenn Liisa aus Finnland, die bei den ersten Violinen spielt, nicht vor Heimweh und Liebe zu ihrem Land Tränen in den Augen hat“, sagt Nicholas, „dann sind wir noch nicht dort, wo wir hin wollen.“ Einen Tag später erlebe ich den Saisonstart mit eigenen Ohren. Ich kann zwar nicht erkennen, ob Liisa vor Rührung weint, aber selten hat mich ein Musikstück so berührt wie dieses.

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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