Was wäre ein Städtetrip ohne eine informative, kurzweilige Stadtführung, die so manchen Hintergrund beleuchtet, so manche Anekdote erzählt? In Göttingen zeigen mehr als 40 ausgebildete und geprüfte Stadtführerinnen und Stadtführer auf Vermittlung von Göttingen Tourismus sowohl den Besuchern als natürlich auch den Göttingern die Stadt – kompetent, freundlich, engagiert, flexibel und auf Wunsch in zehn verschiedenen Fremdsprachen. Im Rahmen von öffentlichen Führungen lernen Einzelgäste und Kleingruppen unter fachkundiger Leitung die historische Innenstadt Göttingens mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten kennen und erfahren Wissenswertes über die Geschichte der traditionsreichen Universitätsstadt. Individuell buchbare Führungen zu Spezialthemen erfreuen sich großer Beliebtheit. Seit vielen Jahren wird jeweils in der Adventszeit eine spezielle Weihnachtsführung angeboten. Das habe ich mir nicht entgehen lassen und eine Gruppe begleitet.
Blick aus Blutkammer
Am späten Nachmittag begrüßt Monika Dräger ihre Gäste in der historischen Halle des Alten Rathauses. Warum gerade hier, frage ich mich, und nicht auf dem Weihnachtsmarkt? Das hat natürlich einen Grund. Zur Einstimmung auf den rund einstündigen Rundgang führt Dräger die Teilnehmer über eine sehr schmale Sandstein-Wendeltreppe in die sogenannte Blutkammer, einen kleinen Raum im Obergeschoss des Alten Rathauses, der normalerweise für Touristen verschlossen bleibt. Die Kammer erinnert an die harten Gefechte während der Erstürmung der Stadt im Jahr 1632 durch den in schwedischen Diensten stehenden Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar.
Adventskranztradition und Coca-Cola
Heute dient sie den Führungsgästen aber in erster Linie als exponierte Aussichtsplattform über den Weihnachtsmarkt. Kaum jemand möchte sich diese ausgezeichnete Fotogelegenheit entgehen lassen. In der Tat, zur blauen Stunde bietet sich ein wunderbares Bild über den Marktplatz mit all seinen festlich geschmückten und beleuchteten Buden. Mit einem kleinen Quiz lockert die Stadtführerin die Stimmung. A-, B-, C- Antworten erleichtern die Beantwortung und zur Belohnung gibt es Schokokugeln. Wir erfahren auf diese Weise beispielsweise, dass der Theologe und Sozialpädagoge Johann-Hinrich Wichern als Erfinder der Adventskranztradition in Deutschland gilt. Dass wir das klassische Bild des Weihnachtsmanns hierzulande, mit rotem Mantel und weißem Rauschbart in Wirklichkeit der Marke Coca-Cola verdanken, war mir neu. Wann es den ersten Weihnachtsmarkt in Göttingen gab, ist nicht sicher belegt, aber Monika Dräger zeigt die Kopie einer Zeitungsannonce aus dem Jahr 1864, die auf einen Christmarkt in der Stadt hindeutet.
Einige Anekdötchen später steigen wir die Wendeltreppe wieder hinab und laufen gemütlich zur Citykirche St. Michael an der Kurzen Straße. Im Hinterhof, in einer Garage, ist eine zauberhafte Advents- und Weihnachtskrippe aufgestellt. Das Besondere daran ist, erzählt unsere Stadtführerin, dass sich die Krippe im Verlauf der Adventszeit stetig verändert. Vom „Kornwunder des heiligen St. Nikolaus“ über „Die Verkündigung des Engels an Maria“, „Die Geburt Jesu“ und sogar darüber hinaus bis zur „Flucht nach Ägypten“. Detailliert und mit viel Liebe ist die aktuelle Szene dargestellt. Absolut sehenswert und ziemlich beeindruckend, was ein engagiertes Team seit 1996 hier gestaltet. „Hier ist das Christkind kein Frühchen“, sagt Dräger, die sich ein wenig darüber ärgert, dass in den meisten Krippen das Jesuskind schon vor dem 24. Dezember gezeigt wird.
Von Fallerslebens Weihnachtslieder
Nach einem gemütlichen Bummel über den Weihnachtsmarkt, der mit zahlreichen schnuckeligen Holzhütten, Kunsthandwerk und kulinarischen Genüssen viele Besucher in die Stadt lockt, stehen wir vor einem hübschen Fachwerkhaus in der Johannisstraße 27. Hier hat August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben, während seiner Studienzeit in Göttingen von 1816 bis 1818 gewohnt. Eine entsprechende Gedenktafel ist an der Fassade angebracht. Natürlich wissen wir alle, dass er das Deutschlandlied geschrieben hat, aber dass er auch Weihnachtslieder komponiert hat, ist den meisten unbekannt. Ein Teilnehmer versucht sich an „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, lässt es aber alsbald wieder sein. Wir lachen. Auf dem Weg zurück zum Weihnachtsmarkt zitiert Monika Dräger das Weihnachtsgedicht eines Mannes, der auch einen starken Göttingen Bezug darstellt:
Heinz Ehrhardts Weihnachtgans
Tiefgefroren in der Truhe,
liegt die Gans aus Dänemark.
Vorläufig lässt man in Ruhe,
sie in ihrem weißen Sarg.
Ohne Beine, Kopf und Gekröse,
ruht sie neben dem Spinat.
Ob sie wohl ein wenig böse,
ist, dass man sie schlachten tat?
Oder ist es doch zu kalt ihr?
Man sieht’s an der Gänsehaut.
Nun, sie wird bestimmt nicht alt hier,
morgen wird sie aufgetaut.
Hm, welch Duft zieht aus dem Herde,
durch die ganze Wohnung dann.
Macht, dass gut der Braten werde,
morgen kommt der Weihnachtsmann.
„Das ist von Heinz Ehrhardt“, kommt es fast wie aus einem Mund. Viele kennen den 1979 verstorbenen und auch heute noch beliebten Komiker, der einige seiner Filme in Göttingen und Umgebung gedreht hat. An den Kinoerfolg „Natürlich die Autofahrer“ erinnert eine Stele, die die Stadt zu Ehren Ehrhardts 2003 am Weender Tor hat aufstellen lassen. Vor dem imposanten Eingangsportal von St. Johannis verabschiedet sich unsere Stadtführerin. Wir applaudieren und müssen unser neu erworbenes Wissen jetzt erst einmal verdauen. Was liegt da näher als dies bei einem leckeren Winzerglühwein an einem der Stände zu tun. Gesagt, getan – schön war‘s.
Virtueller 360-Grad-Rundgang
Einen wunderbaren virtuellen 360-Grad-Rundgang über den Göttinger Weihnachtsmarkt und die festlich geschmückten Innenstadtstraßen hat der professionelle Göttinger Drohnenfilmer Michael Mehle 2017 produziert. Genießt die Vorfreude auf einige gemütliche Stunden auf dem realen Markt hier: https://www.pano.zoom360.de/goettingen_tourismus/wuenschet_froehliche_weihnachten.html
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