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Göttinger Literaturherbst oder: „Wie bekommt man einen Nobelpreisträger in die Stadt?“

28. September 2018
Der Göttinger Literaturherbst ist das älteste durchgängig veranstaltete Literatur-Festival im deutschen Sprachraum und darüber hinaus das größte seiner Art in Niedersachsen. In seiner 27. Auflage bietet er 70 Veranstaltungen an 35 unterschiedlichen Orten. Doch wie ist so ein zehntägiges Event eigentlich zu stemmen? Wie wird man vor allem der bekannten Autoren habhaft und wie bekommt […]

Der Göttinger Literaturherbst ist das älteste durchgängig veranstaltete Literatur-Festival im deutschen Sprachraum und darüber hinaus das größte seiner Art in Niedersachsen. In seiner 27. Auflage bietet er 70 Veranstaltungen an 35 unterschiedlichen Orten. Doch wie ist so ein zehntägiges Event eigentlich zu stemmen? Wie wird man vor allem der bekannten Autoren habhaft und wie bekommt man gar einen Literaturnobelpreisträger nach Göttingen? Zu diesen und anderen Fragen habe ich mich mit Literaturherbst-Geschäftsführer Johannes-Peter Herberhold zum Gespräch getroffen.

Das Literaturherbst-Team vor der Geschäftsstelle (v. l.): Geschäftsführer Johannes-Peter Herberhold, Nina Hornig, Gesa Husemann, Marie Varela, Leonie Pape-Werlich und Hanna Hovtvian.

Manchmal hilft der Zufall

Bereits seit einigen Jahren erfreuten sich Literaturveranstaltungen zunehmender Beliebtheit, ja sie boomten geradezu, weiß Herberhold. Das führt dazu, dass die Autoren auswählen können und müssen, wohin sie mit ihren Lesungen gehen. „Göttingen“, sagt Herberhold, „gehört nun einmal nicht zu den führenden Literatur-Städten, auf die man zwangsläufig von sich aus kommt. Da müssen wir schon ein wenig nachhelfen – gerade bei den großen Namen.“ Für das Team bedeutet es eine echte Fleißaufgabe die Verlage nach den Headlinern abzutelefonieren. „Manchmal hilft der Zufall, manchmal das Glück, manchmal persönliche Kontakte und ein umfangreiches Netzwerk“, berichtet der Geschäftsführer. Frank Schätzing beispielsweise, war mit seinem neusten Thriller „Die Tyrannei des Schmetterlings“ ein absoluter Wunschkandidat. Leider hatte der Autor über seinen Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch absagen lassen. „Das hat uns natürlich keine Ruhe gelassen“, sagt der Literaturherbst-Macher, „und wir haben bei der Agentur mit dem lustigen Namen, die Schätzings Lesungen organisiert, nachgefragt, ob denn nicht doch etwas zu machen ist.“ Im erzkatholischen Köln eine Agentur ‚Maria hilft‘ zu nennen, entbehrt nicht eines gewissen Humors, finden wir beide. Anstatt Schätzing bot die Agentur Anke Engelke und Iris Berben mit ihrer Lesung „Komisch!“ an. An einem normalerweise unattraktiven Montag, aber die Göttinger Stadthalle erweist sich mit ihren rund 1200 Plätzen inklusive Galerie als idealer Veranstaltungsort. Ihr Programm haben die beiden Schauspielerinnen erst einmal öffentlich gezeigt, auf der lit.COLOGNE. Sie sei die Championsleague unter den Literaturveranstaltungen, sagt Herberhold und lacht. „Da haben wir ohne weiteres Nachdenken sofort zugesagt.“ Und der Erfolg gibt ihm Recht, die Veranstaltung war rasend schnell ausverkauft. „Maria“ aber machte ihrem Namen noch weitere Ehre, denn einige Tage später kam die Zusage für Frank Schätzing – quasi on top. Alles richtig gemacht, würde ich sagen.

Göttinger Literaturherbst 2014: Vor der Lesung von Max Goldt im Alten Rathaus

Besonderes Flair in Göttingen

An 35 Spielorten können sich die Besucher in diesem Jahr dem Literaturgenuss hingeben. „Das sind so viele wie nie zuvor“, freut sich der Geschäftsführer. Was die unterschiedlichen Veranstaltungsorte angeht, kann der Literaturherbst in der Region aus dem Vollen schöpfen, sagt Herberhold, sein Team sei stets offen für Kooperationen aller Art. Der Zulauf ist auch in diesem Jahr groß. Am Montag, dem 15. Oktober beispielsweise, beginnen alleine acht Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten um 19 Uhr, einige davon bereits ausverkauft. „Wir können davon ausgehen, dass an diesem Abend rund 2.500 Literaturfans zu einer bestimmten Uhrzeit parallel das Festival besuchen. Das ist sensationell.“ Insgesamt läuft der Vorverkauf so gut, dass Herberhold mit einer Rekord-Besucherzahl rechnet. Dann würden auch die Verlage hellhörig. Wenn die Autoren erst einmal in Göttingen gewesen sind, sind sie durchweg begeistert, schwärmen von der unvergleichlichen Atmosphäre und dem ganz besonderen Flair der Stadt. „Göttingen hat sich ja schon einen beinahe legendären Ruf erworben. Hier muss niemand Angst haben, sein Publikum nicht zu erreichen.“ Die Hauptveranstaltungsorte, das Deutsche Theater, das Alte Rathaus und die Paulinerkirche, liegen in fußläufiger Entfernung vom Festival-Hotel. Deshalb gibt es auch keinen Shuttle-Service, wie er in anderen Städten vorgehalten wird. „Wir wussten anfangs auch nicht, ob und wie das funktioniert, aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Protagonisten genau das schätzen, weil sie sogar noch etwas von der Stadt sehen.“ Ich selbst habe mir über die Jahre auch schon ab und an verdutzt die Augen gerieben, wenn mir in der Fußgängerzone ein Autor über den Weg lief.

Göttinger Literaturherbst 2016: Bücher, die Denis Scheck während seiner Lesung ins Publikum wirft.

Ohne Ehrenamtliche geht es nicht

Je mehr Superlative Herberhold nennt, umso neugieriger werde ich. Wie kann ein so kleines Team eine Veranstaltung in dieser Größenordnung logistisch und organisatorisch bewältigen? „Wir müssen die fehlende Manpower durch unsere Netzwerke und vor allem durch Kreativität kompensieren“, berichtet er. Eine große Erleichterung ist die phantastische Zusammenarbeit mit dem Literarischen Zentrum, die seit einigen Jahren besteht. Das Team selbst ist hervorragend aufgestellt, sagt er, und an den Veranstaltungsorten arbeiten viele großartige Helfer, ohne die es nicht gehen würde. „Im Alten Rathaus, im Deutschen Theater, in den Max-Planck-Instituten und den anderen Spielorten sorgen Hausmeister und eine große Zahl ehrenamtlicher Praktikantinnen und Praktikanten dafür, dass alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist“, lobt Herberhold. Menschen, die sich aus Leidenschaft unentgeltlich für eine Sache engagieren, haben mich schon immer fasziniert und ich zolle dieser Arbeit, ohne die es auch in zahllosen anderen Bereichen des Lebens nicht mehr reibungslos funktionieren würde, höchsten Respekt.

Bewegende Lesung

Ein Highlight eines jeden Literaturherbstes ist die Lesung des erst wenige Tage zuvor gekürten Trägers des Deutschen Buchpreises. Ich möchte wissen, wie es seit Jahren gelingt, den begehrten Preisträger nach Göttingen zu holen. „Am Anfang mussten wir an dieser Stelle einige Überzeugungsarbeit leisten und wir hatten Glück, dass einfach noch niemand vorher auf die Idee gekommen war“, sagt der Literaturherbst-Macher. „Für den Preisträger beginnt nach der Preisverleihung ein wahrer Medien-Marathon mit unzähligen Presseterminen und eng getakteten Interviews“, weiß Herberhold und nicht jeder Autor ist diesem plötzlichen Interesse an seiner Person gleichermaßen gewachsen. Viele Autoren seien in der Vergangenheit durch den immensen Medienrummel ziemlich geschlaucht in Göttingen angekommen. „Hier leben sie dann sichtlich auf“, sagt Herberhold, „ weil sie ihr Werk in ihrer neuen Rolle erstmals dem Publikum präsentieren dürfen.“ Ein für die Autoren bewegendes Erlebnis.

Einziger öffentlicher Auftritt von Orhan Pamuk

Manchmal ist es allerdings dieses Konglomerat aus Offenheit, Zufall, Glück und persönlichen Kontakten, das Dinge ermöglicht, die niemand vorher für möglich gehalten hat. Orhan Pamuk, türkischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger 2006, wird während des Literaturherbstes seinen einzigen öffentlichen Auftritt in Deutschland in diesem Jahr haben. Ich möchte wissen, wie es dazu kam. Pamuk, der zurzeit nicht schreibt und sich aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen hat, begeistert sich seit 2012 für die digitale Fotografie. Mehr als 8000 Fotos hat er in vier Monaten aus seiner Wohnung in Istanbul heraus gemacht, die sich hoch über der Stadt und dem Bosporus befindet. Der Göttinger Verleger Gerhard Steidl gestaltete mit Pamuk aus rund 500 dieser Fotos den Bildband „Balkon“. Einige davon werden im Günter Grass Archiv zu sehen sein. „Als ich von der Ausstellung, die von Pamuk selbst eröffnet wird, erfuhr“, berichtet Herberhold, „war ich natürlich gleich Feuer und Flamme, in der Hoffnung, den Autor auch zu einer Lesung während des Literaturherbstes gewinnen zu können.“ Während seines nächsten Besuchs in Istanbul sprach Steidl mit dem Autor über die Idee am Tag nach der Ausstellungseröffnung noch einen zweiten Auftrittstermin zu vereinbaren. „Und Pamuk hat zugesagt“, freut sich Herberhold. Wer das Glück hatte, eine Eintrittskarte für die Veranstaltung im Deutschen Theater zu ergattern, kann jetzt in den Genuss einer doppelten Buchvorstellung mit dem Nobelpreisträger kommen. „Balkon“ erscheint demnächst im Steidl-Verlag. Mit „Istanbul – Erinnerungen und Bilder einer Stadt“ publiziert der Hanser-Verlag einen weiteren Prachtband.

Immer ein sehr persönliches Highlight – Signierstunde an Ende der Lesung

Signierstunde als Sahnehäubchen

Ich stelle mir vor, ich wäre dabei und würde mir den sicher wunderbaren Bildband anschließend von Pamuk persönlich signieren lassen. So wie diverse Bücher bei Veranstaltungen in den vergangenen Jahren. Ich halte diese Signierstunden für eine schöne Tradition, obwohl ich mir vorstellen kann, dass nicht jeder Schriftsteller gleichermaßen Freude daran hat. Herberhold bestätigt meine Zweifel und spricht dabei aus seiner langjährigen Erfahrung. „Die meisten Autoren signieren gerne“, berichtet er, „oder nehmen diese Nähe zum Publikum zumindest souverän in Kauf.“ Für die Literaturfans, weiß Herberhold, sei dieser kurze, ruhige Moment mit dem Autor immer das Sahnehäubchen auf einer gelungenen Veranstaltung. „Nicht wenige denken dann auch schon an Weihnachten und lassen Bücher mit Widmungen für ihre Lieben versehen.“ Ich freue mich auf den autorenreichen Literaturherbst 2018.

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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