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Göttinger Musiker*innen im Lockdown-Blues?

13. Mai 2021
Club-Konzerte, Hallen-Gigs, Open-Air-Festivals? Fehlanzeige. Die gesamte Live-Musik-Branche köchelt seit Monaten nur noch auf Sparflamme. Viele Künstler*innen gewähren im Lockdown Einblicke in ihre Wohnzimmer und Studios, spielen für Fans und Freund*innen vor der Kamera. Derzeit laufen in Göttingen einige wunderbare Streaming-Aktionen, wie beispielsweise die „Online Bühne Göttingen“, wo die Musiker*innen auch Gage erhalten. Doch wie geht […]

Club-Konzerte, Hallen-Gigs, Open-Air-Festivals? Fehlanzeige. Die gesamte Live-Musik-Branche köchelt seit Monaten nur noch auf Sparflamme. Viele Künstler*innen gewähren im Lockdown Einblicke in ihre Wohnzimmer und Studios, spielen für Fans und Freund*innen vor der Kamera. Derzeit laufen in Göttingen einige wunderbare Streaming-Aktionen, wie beispielsweise die „Online Bühne Göttingen“, wo die Musiker*innen auch Gage erhalten. Doch wie geht es den Hauptpersonen eigentlich in diesen schwierigen Zeiten? Sind sie im Lockdown-Blues? Was macht die Pandemie mit ihnen und ihrer Kunst? Wir haben mit einigen der Betroffenen gesprochen.

Sarah Hildmann: „Ich vermisse meine Band“

Möchte wieder auf die Bühne: Sarah als Lady Gaga während eines Gigs der Hit Radio Show.

Seit September 2020 hat Sängerin Sarah Hildmann ihre Bandkolleg*innen der Hit Radio Show nur einmal zusammen getroffen. Für eine gemeinsame Probe mit Genehmigung des Ordnungsamts, Abstand und Hygienemaßnahmen. „Das war total skurril“, berichtet Sarah, „kein Kuscheln und Umarmen wie sonst und meterweise Luft zwischen uns. Diese Band ist meine zweite Familie, ich vermisse sie so sehr.“ Ansonsten versucht die Powerfrau das Beste aus der Situation zu machen. „Klagen und meckern ist nicht meine Ding“, sagt sie, „ich rege mich nicht über Dinge auf, die nicht möglich sind, ich schaue lieber nach vorne, was geht.“

Pferdehof und Gesangsunterricht

Liebt Zahlen und Tabellen: Sarah arbeitet im Shop der Dream-Ranch.

Sarah lebt mit ihrem Mann Godi, ebenfalls Musiker, und der neunjährigen Tochter Zoe auf der Dream-Ranch in Billingshausen. „Wir haben es hier mitten in der Natur echt schön“, sagt sie. Auf der Ranch arbeitet sie auch. Sie hilft im Büro bei der Buchhaltung und im Shop. „Ich bin gelernte Einzelhandelskauffrau und liebe Zahlen und Tabellen“, berichtet sie lachend. Daneben kümmert sie sich nicht nur um ihr eigenes Quarter Pony „Carry“, sondern auch um die anderen Pferde auf dem Hof. Aber auch musikalisch ist sie aktiv. Seit elf Jahren gibt sie Gesangsunterricht. Früher in Dransfeld, jetzt im „Music House“ in Göttingen, dass ihr Bandkollege Thomas Danneboom betreibt. Verschiedene Coaches haben sich hier eingemietet, um Nachwuchskräften Gesang und zahlreiche Instrumente beizubringen.

Menschen zum Tanzen bringen

Vierbeiner statt Vierviertel: Die Pferde lassen sich gerne von Sarah führen.

50 Prozent ihrer Einnahmen fehlen, berichtet Sarah, aber viel schlimmer ist, dass sie nicht auftreten kann. „Das ist grauenhaft“, sagt sie, „von zwei Gigs in der Woche auf Null. Dabei möchte ich die Menschen doch so gerne zum Tanzen bringen und glücklich machen.“ Der Terminkalender der Hit Radio Show ist ab Juli gut gefüllt, die Nachfrage hoch, aber Sarah ist skeptisch, ob diese Gigs stattfinden dürfen. „Das Gefühl der Resignation nimmt zu.“

Für das Exil hat sie mit der Blues’n’Boogie-Küche ein Streaming-Konzert gespielt, aber das war definitiv keine Alternative zu einem echten Konzert vor Publikum. „Ich habe das im Kopf überhaupt nicht sortiert bekommen, dass am Song-Ende niemand geklatscht hat, weil ja keiner da war.“ Sarahs Ehemann ist als Musiker derzeit auch quasi zum Nichtstun verurteilt und arbeitet im Testzentrum des Evangelischen Krankenhauses Weende. Der Kühlschrank muss halt voll. Nutznießerin der Pandemie ist allerdings Zoe. „Sie hat jetzt viel mehr von ihren Eltern, als wenn wir beide touren“, berichtet Sarah.

David Nolte: „Infektionsgemeinschaft“ probt

Tea for two (v. l.): Michael Horand und David Nolte proben regelmäßig.

Für den Göttinger Musiker David Nolte hat sich indes nicht so viel verändert. Mit seinen beiden Band-Projekten „Red Men“, einer Jazz-Combo, und der Singer-Songwriter-Band „Attic Groove Connection“, kann er aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen derzeit weder konzertieren, noch in voller Besetzung proben. Wohl aber mit seinem Duettpartner Michael Horand, mit dem er das Gitarren-Duo „Tea fort wo“ bildet. „Wir sind quasi eine Infektionsgemeinschaft“, scherzt er schwarzhumorig, „und wir treffen uns dreimal pro Woche um gemeinsam zu spielen.“ Seine Projekte wollen keinen publikumsträchtigen Mainstream bedienen und so hat er schon seit Jahren seine Konzertpräsenz heruntergefahren. „Ich spiele nur noch, wenn ich auch etwas zu sagen habe.“ Seit 1988 unterrichtet David, der beide Fächer studiert hat, Gesang und Gitarre. Während der Pandemie musste er lernen, wie man einen Online-Unterricht auf die Beine stellt, denn 1:1-Präsenzunterricht war ja lange Zeit untersagt.

Mehr energetische Präsenz

25 Unterrichts-Slots pro Woche: David unterrichtet seit 1988 an der Gitarre.

„Online erfordert das Drei- bis Vierfache an energetischer Präsenz, um erfolgreich zu sein“, erklärt er. Sein Konzept: Jeder seiner Schützlinge muss daher lernen, sich selbst am Klavier oder Keyboard zu begleiten. Auch ein „Schmalspurkurs“, wie er es nennt, in Rhythmik, Harmonik, Notenlesen und Gehörbildung ist inbegriffen. Allerdings sind direkte Hand-, Arm- und sonstige Haltungskorrekturen am Bildschirm nicht umsetzbar. „Ich bin der Göttinger Klavierlehrerin Carola Weck zutiefst dankbar, dass sie am 19. März vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg erstritten hat, dass der Präsenz-Einzelunterricht in Niedersachsen wieder möglich ist.“ Derzeit hat David 25 Unterrichts-Slots in der Woche. „Davon nehmen nur ein Viertel der Schülerinnen und Schüler mein Online-Angebot wahr, die anderen kommen gerne zu mir ins Haus.“

Fred Kerkmann: Eine Art Schockstarre

1992 fing alles an: Fred Kerkmann auf der Bühne des JT.

Auf der Bühne des Jungen Theaters treffe ich Schauspielmusiker Fred Kerkmann. Mit der musikalischen Revue „On the bittersweet side of the Seventies“, aus der später das legendäre „Rex Richter Quintett“ hervorging, fing hier 1992 alles an. In zahllosen Stücken hat der studierte klassische Gitarrist seitdem gespielt und vielfach auch die musikalische Leitung übernommen. Zwischendurch arbeitete er deutschlandweit an renommierten Häusern. „Als der Lockdown am 16. März 2020 begann, war ich drei Tage lang in einer Art Schockstarre“, blickt er zurück, „aber dann habe ich begonnen meinen Musikunterricht online aufzubauen.

Fehlende Umsätze kompensiert

Kasse und Theater sind geschlossen: Fred im Gespräch mit JT-Geschäftsführer Tobias Sosinka.

Ich habe mein Arbeitszimmer zu einem Sendestudio umgerüstet, mit dem ich auf allen Plattformen wie Skype, Facetime, Zoom und vielen anderen aktiv bin.“ Fred bildet seit über 20 Jahren an Saiteninstrumenten wie Gitarre, Banjo, Ukulele, Mandoline und E-Bass aus. Ein wesentlicher Grund, warum er seine finanzielle Situation relativ entspannt sehen kann. „Ich konnte meine fehlenden Umsätze als Musiker recht gut mit meinem Unterricht kompensieren.

„Make Some Neu’s“

Land in Sicht: Fred freut sich auf die Kunst-Gala.

Präsenzunterricht gibt er unter anderem an der Musikschule Werra-Meißner in Eschwege und Witzenhausen, an der Freien Musikschule am Wall und im Kulturförderverein Kleine Musik und Kunst e. V. in der Nikolaistraße 1. „Was Live-Konzerte angeht, fühle ich mich allerdings wie eine Pflanze, die sechs Wochen nicht gegossen wurde“, sagt Fred. Aber es ist Land in Sicht. Für die diesjährige Kunst-Gala am 29. und 30. Mai im Deutschen Theater hat er sich mit Musikern, die er zwar jahrelang kennt, aber mit denen er noch kaum gespielt hat, zu einer Band zusammengefunden. „Die erste Probe war schon der Hammer“, berichtet er begeistert. Motown will er mit Christiane Eiben, Hans Kaul, Willy Bode, Christian Archontidis und Antonina Nagle zum Besten geben. Auch der Bandname verspricht ein noch nie gehörtes Erlebnis: Make Some Neu’s“.

Jan Finkhäuser: Grenze der guten Laune

Vielseitig: Jan Finkhäuser ist beinahe täglich auf Facebook und Youtube aktiv.

Einer der unermüdlichsten Lockdown-Musiker ist Jan Finkhäuser. Beinahe täglich liefert er Kostproben seiner musikalischen Vielseitigkeit auf seiner Facebook-Seite ab. Durchaus ein Seelenspiegel seiner jeweiligen Verfassung, wie er sagt. Sein Youtube-Kanal, der unter seinem Kneipen-Live-Pseudonym „Mary’s Bard“ zu finden ist, lässt kaum Wünsche offen. Mein Tipp: Zieht euch unbedingt seinen Clip „St.Patrick’s Day 2021 – Online“ rein – über fünfeinhalb Stunden allerfeinste Musik, querbeet durch viele Genres. Was hier vielfach sehr fröhlich und ausgelassen klingt, spiegelt aber nicht unbedingt Jans derzeitige Stimmungslage wider. Konzerte vor Publikum, und damit die Möglichkeit, nach vielen Monaten endlich wieder Geld zu verdienen, sind derzeit ausgeschlossen. „Die Situation ist absolut nicht zufriedenstellend“, sagt er. „Ich bin an der Grenze meiner persönlichen guten Laune angelangt.“

Geht auf die Psyche

Equipment kostet: Jan produziert gerade ein neues Album seiner Band „Paddy’s Funeral“.

„Geld ist nicht alles“, erklärt Jan, „aber eben auch nicht egal, denn Equipment kostet.“ Derzeit produziert er ein neues Album seiner Band “Paddy’s Funeral”. Jans Ehefrau Stefanie, derzeit im Homeoffice, trägt jetzt das Gros zum Unterhalt der Familie, zu der auch der sechsjährige Sohn Hagen gehört, bei. Sie müssen die Balance zwischen Homeoffice und Homeschooling stemmen. „Das ist nicht immer einfach und geht mitunter ziemlich auf die Psyche.“ Jan möchte seinen Lebenswandel, der nicht nur aus Familie und Freizeit, sondern eben auch aus seinen zahlreichen Gigs bestand, zurück. „In diesem Chaos finde ich meine Inspiration zum Schreiben, Komponieren und Produzieren.“ Streaming-Sessions, beispielsweise im Exil, hat er schon viele gespielt, aber die ersetzen natürlich nicht das echte Live-Feeling. „Außerdem gehen die ganzen Kontakte, die man sich überregional aufgebaut hat, flöten.“ Bemerkenswert finde ich, dass Jan, trotz aller Schwierigkeiten, nicht öffentlich klagt. „Ich mag dieses permanente individuelle Rumgemotze nicht“, sagt er. „Besser ist es, kollektiv und solidarisch zusammen aufzustehen, zu fordern, aber auch Lösungen anzubieten, wie es beispielsweise das Bündnis „Alarmstufe Rot“ tut. „Wir sollten als Gesellschaft alle gemeinsam lernen, mit diesem Scheiß umzugehen.“

Falls keine weiteren Hinweise angegeben sind, gilt folgender Fotohinweis: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke.

Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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