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Symbolik in der Hand

14. Februar 2019
Allgemein sind Kirchen weithin sichtbar, verfügen doch die meisten über mehr oder minder hohe Türme. In ihrem Inneren bergen sie häufig zahlreiche architektonische Besonderheiten, farbig gestaltete Fenster sowie eine große Zahl sakraler Kunstwerke. Manchmal beginnt die Kunst aber auch schon draußen am Kirchenportal. Im Februar 2003 stahlen Diebe die Türgriffe gleich dreier Innenstadtkirchen: St. Jacobi, […]

Allgemein sind Kirchen weithin sichtbar, verfügen doch die meisten über mehr oder minder hohe Türme. In ihrem Inneren bergen sie häufig zahlreiche architektonische Besonderheiten, farbig gestaltete Fenster sowie eine große Zahl sakraler Kunstwerke. Manchmal beginnt die Kunst aber auch schon draußen am Kirchenportal. Im Februar 2003 stahlen Diebe die Türgriffe gleich dreier Innenstadtkirchen: St. Jacobi, St. Johannis und St. Marien. Nach anfänglicher Bestürzung entschlossen sich die Kirchenvorstände einen einzigen Bildhauer mit der Gestaltung neuer Türgriffe zu betrauen. Verschiedene Symbole an verschiedenen Gotteshäusern aus einer Künstlerhand. Wo gibt es das schon? Die Berliner Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach gestaltete 2006 die neuen Türklinken für die bestohlenen Kirchengemeinden. Seit 2009 schmückt ein Schwarzbach-Griff auch die Albanikirche. Ich habe sie mir für euch angesehen.

Auferstehung und Unsterblichkeit

Aus der Asche: Phönix Türgriff an der Albanikirche. Foto: Christoph Mischke

Den Türgriff am Portal von St. Albani schmückt der Phönix. Der einzigartig prächtige Sonnenvogel aus der ägyptischen und der hellenischen Mythologie, der sich am Ende seines Lebenszyklus verbrennt, um danach herrlich aus seiner Asche aufzusteigen und neu zu entstehen. Diese Symbolik wurde von den christlichen Kirchenvätern umgedeutet zu einem Sinnbild Christi und der den Tod überwindenden Auferstehung und Unsterblichkeit. Ausgesprochen ärgerlich ist es, dass irgendwelche Idioten den Türgriff mit roter Farbe beschmiert haben, die immer noch an einigen Stellen des Kunstwerks sichtbar ist.

Doppelte Symbolik

Der Aufrechte: Abbild der lebendigen Turmbewohner. Foto: Christoph Mischke

Der Prüfende: Falkenmotive an St. Jacobi. Foto: Christoph Mischke

Symbolik findet sich auch am Portal von St. Jacobi: Die Türgriffe sind als Raubvögel gestaltet, genauer gesagt: als Wanderfalken, der mit wissenschaftlichem Namen „Falco peregrinus“ heißt. Der äußere Griff zeigt den prüfenden, der innere den aufrechten Vogel. Pastor Harald Storz findet das „doppelt schön“. Denn: „Zum ersten ist peregrinus das lateinische Wort für Pilger und St. Jacobi ist eine Pilgerkirche auf dem Weg nach Santiago de Compostella. Zweitens“, so Storz, „haben die eisernen Falken der Griffe oben im Turm, wo sie seit 1993 Jahr für Jahr nisten, ihr natürliches Ebenbild.“

Geheimzeichen der Christen

St. Johannis: schmuckloser Ersatz für den gestohlenen Fisch. Foto: Christoph Mischke

Blieben erhalten: Schwarzbachs “Springende Fische”. Foto: Christoph Mischke

Große Enttäuschung an der Johanniskirche. Eigentlich sollte das Portal ein großer, eiserner Fisch zieren, aber stattdessen steckt nur ein schmuckloser, rosettenförmiger Allerweltsknauf auf dem Vierkant. Auch hier waren einmal mehr schlechte Menschen am Werk. Im Oktober 2016 rissen sie den Fisch aus seiner Verankerung und er ist bis heute verschwunden. Als ich das erfahre, bin ich gleichermaßen wütend und traurig über so viel Unmoral und Gewissenlosigkeit. Immerhin, die springenden Fische an der Innenseite der Tür sind dem Gotteshaus erhalten geblieben. Der Schutzpatron der St. Johanniskirche ist nämlich nicht etwa der Evangelist gleichen Namens, sondern der Täufer vom Jordan. Da war es naheliegend, dass der Kirchenvorstand sich für einen Fisch als Türöffner entschieden hat. Der Fisch war in römischer Zeit, als der christliche Glaube als „unerlaubte Religion“ von Staats wegen verboten war, das Geheimzeichen der Christen.

Allegorie eines Fabelwesens

Nicht erwartet: ein Einhorn als Türgriff an St. Marien. Foto: Christoph Mischke

An der St. Marienkirche entdecke ich einen Türgriff, den ich nicht sofort mit dem Christentum in Verbindung bringe, zeigt er doch ein Einhorn. Meine nachträgliche Recherche über dieses Fabelwesen rückt dessen Auswahl als Türöffner in ein anderes, stimmiges Licht. Der Physiologus, ein auf griechisch geschriebenes Volksbuch aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., enthält Geschichten über wundersame Tiere, Pflanzen und Steine. Hier heißt es, dass ein Einhorn niemals von einem Jäger gestellt werden, sondern nur von einer Jungfrau eingefangen werden könne. Die Jungfrau wurde allegorisch als Jungfrau Maria, das Einhorn als Jesus Christus gedeutet. Jetzt verstehe ich, warum das Einhorn als Mariensymbol das Portal der nach ihr geweihten Kirche ziert.

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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