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Von Fröschen, Quanten und Membranen

Von Gudrun
28. Mai 2020
Seit 1901 zeichnet die Stiftung des schwedischen Erfinders Alfred Nobel herausragende Leistungen auf den Gebieten der Chemie, Physik, Physiologie oder Medizin, Literatur sowie seit 1968 der Wirtschaftswissenschaften aus. Außerdem würdigt sie ein besonders friedenstiftendes Engagement. Kaum eine andere Universitätsstadt kann weltweit so viele Nobelpreisträger aufweisen wie Göttingen. Doch wie viele sind es tatsächlich? Tatsächlich kursieren […]

Seit 1901 zeichnet die Stiftung des schwedischen Erfinders Alfred Nobel herausragende Leistungen auf den Gebieten der Chemie, Physik, Physiologie oder Medizin, Literatur sowie seit 1968 der Wirtschaftswissenschaften aus. Außerdem würdigt sie ein besonders friedenstiftendes Engagement. Kaum eine andere Universitätsstadt kann weltweit so viele Nobelpreisträger aufweisen wie Göttingen. Doch wie viele sind es tatsächlich? Tatsächlich kursieren da verschiedene Zahlen. Also schaue ich auf die Homepage der Georg-August-Universität und lese, sie sei „mit den Lebensläufen von über 40 Nobelpreisträgern verbunden“, davon 14 explizit für Forschungen in Göttingen. Ganz schön unpräzise, denke ich mir. Das riecht verdächtig nach „trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.

Namensgeber und Stifter: Alfred Nobels Konterfei schmückt die Medaille. Foto: Keindorf

In aller Regel wechseln Wissenschaftler*innen im Laufe ihres Lebens ihren Wirkungskreis mehrfach. Auch ist nicht gesagt, dass sie an der Universität arbeiten, an der sie einst studiert haben. 2002 gab es eine Ausstellung über das „Göttinger Nobelpreiswunder“. Freundlicherweise hat mir Martin Liebetruth von der SUB Göttingen ein Foto davon zur Verfügung gestellt. Damals wurden 44 Personen mit Göttingen-Bezug gezählt, macht mit Stefan Hell (2014) 45.

Göttinger Nobelpreiswunder: Besucher in der Ausstellung. Foto: SUB Göttingen

Seit wann gibt es den Nobelpreis eigentlich?

Alfred Nobel wurde reich, weil er 1866 das Dynamit erfunden hat. Er gründete die Stiftung, die seit 1901 jährlich den Nobelpreis vergibt. In seinem Testament sind fünf Preise vorgesehen: Physik, Chemie, Medizin/Physiologie, Literatur und Frieden. Jeder Preisträger bekommt eine Medaille, eine Urkunde und ein Preisgeld. Der Friedensnobelpreis wird in Oslo vergeben, die anderen in Stockholm vom schwedischen König.

Original: das Verleihungsprogramm 2014 in der Vitrine. Foto: Keindorf

Warum sind es so viele?

Als die Universität 1737 von Kurfürst Georg August von Hannover gegründet worden war, gab es zwar Geld für einen Reitstall, aber keines für ein Hörsaalgebäude. Die Vorstellung, dass ein Professor ein Institut braucht, setzte sich erst sehr langsam durch. So bekam beispielsweise die Chemie auch deshalb einen Neubau an der Hospitalstraße, weil dort im Falle von „explosiver“ Forschung nicht gleich die ganze Stadt abbrennen würde. Nach der Reichsgründung 1871 gab es Geld für Neubauten wie die Zoologie, wo demnächst das Forum Wissen einzieht. Unter Kaiser Wilhelm II. bekamen die Naturwissenschaften eine ordentliche Finanzspritze. Wenn dann der erste Nobelpreis da ist, zieht eine Universität andere kluge Köpfe nach, und die Wahrscheinlichkeit für neue Preise steigt.

Kompletter Umbau: In das ehemalige zoologische Institut der Universität wird das…

…”Forum Wissen” einziehen. Die Eröffnung ist für Mitte 2021 geplant. Fotos: Keindorf

Welche Personen mit Bezug zu Göttingen wurden ausgezeichnet?

Robert Koch hat 1905 den Nobelpreis für Medizin erhalten. In Göttingen hat er studiert. Gewohnt hat er in der Goetheallee 4 und der Burgstraße 22/23. An beiden Häusern kann man Gedenktafeln für ihn finden.

Erinnerungstafel: Nobelpreisträger Robert Koch hat in Göttingen studiert. Gewohnt hat er…

…in der Burgstraße und in der Goetheallee. Fotos: Keindorf

Zu den später berühmt gewordenen Studierenden gehört auch eine Frau. Maria Goeppert kam 1909 als Dreijährige mit ihrer Familie nach Göttingen. Hier wohnte sie Garten an Garten mit dem berühmten Mathematiker David Hilbert. Die kleine Maria beobachtete also den Herrn Professor, der im Garten eine lange schwarze, überdachte Tafel errichtet hatte, beim Rechnen und fragte ihm bald Löcher in den Bauch.

Nachbarin von David Hilbert: Maria Goeppert. Foto: Wikipedia

Im zarten Alter von 16 Jahren durfte sie auf Hilberts Einladung hin bei einer populärwissenschaftlichen Vorlesung über die Atomstruktur zuhören. Das muss ein prägendes Ereignis gewesen sein. Weit zu gehen hatte sie nicht, die Herrschaften nutzten dafür das Alte Auditorium.

Vorlesungen über Atomstruktur: das Audimax am Weender Tor. Foto: Keindorf

Sie studierte zunächst Mathematik und ab 1927 theoretische Physik. In der mündlichen Prüfung saßen, neben ihrem Doktorvater Max Born, mit James Franck und Adolf Windaus gleich drei unserer Nobelpreisträger. Sogar unser Altes Rathaus hat mit Maria zu tun. Hier heiratete sie 1930 den amerikanischen Physiker Joseph E. Mayer, macht als frühfeministischen Doppelnamen Maria Goeppert Mayer.

Eheschließungen: das ehemalige Standesamt im alten Rathaus. Foto: Christoph Mischke

Maria folgte ihrem Mann in die USA, kämpfte sich kettenrauchend durch die „gläserne Decke“, und war ab 1941 am amerikanischen Atomprojekt beteiligt. 1963 erhielt sie den Nobelpreis für die Entdeckung der nuklearen Schalenstruktur. Damit war sie nicht nur die erste Frau, die einen Nobelpreis in theoretischer Physik erhielt. Sie war auch die erst zweite Physiknobelpreisträgerin nach Marie Curie, die ihn 60 Jahre vorher bekommen hatte. Aber was ist mit Albert Einstein? Der erhielt den Preis 1921 für die Entdeckung des „Gesetzes des photoelektrischen Effekts“, nicht etwa für das berühmte E=mc², wie manch einer glaubt. Einstein logierte 1915 für eine Woche in Gebhards Hotel, um mit den Göttinger Kollegen seine Allgemeine Relativitätstheorie zu diskutieren. Sie machten ihn prompt zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Es ist wohl Auslegungssache, ob das ausreicht, um ihn als Nr. 46 zu listen. Und so langsam dämmert mir, warum das mit der Zählung eine schwierige Sache ist.

Prominente Gäste: Albert Einstein logierte 1915 im Traditionshotel. Foto: Keindorf

Die idyllische Merkelstraße darf man übrigens als Achse der Quantenphysik bezeichnen. Von Werner Heisenberg (1932), der zwar den Wasserstoff erfolgreich erforschte, an der Weltformel aber scheiterte, vorbei an Max Planck (1918), der die Energiequanten entdeckte, sind es bis zu James Franck (1925), der Gesetze beim Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Atom entdeckte, laut Routenplaner exakt 289 Meter.

Merkelstraße: In der “Achse der Quantenphysik” wohnten Max Planck (Nr. 12)…

… Werner Heisenberg (Nr. 18)…

… und James Franck (Nr. 4). Fotos:Keindorf (2)/ Christoph Mischke

Auch die Chemiker waren mit 13 Preisen fleißig. Otto Wallach hat von 1867 bis 1869 in Göttingen bei Friedrich Wöhler studiert. 20 Jahre später kam er nach Göttingen zurück und leitete das Chemische Institut. 1910 bekam er den Nobelpreis für Chemie für seine Verdienste um die organische Chemie. Er war der erste Wissenschaftler, der für seine Forschungen in Göttingen ausgezeichnet wurde.

Hospitalstraße: Wöhler Standbild vor dem ehemaligen Chemischen Institut. Foto: Keindorf

Auch Manfred Eigen (1967) und Stefan Hell (2014) wurden in „Chemie“ ausgezeichnet. Der Übergang zwischen Chemie und Medizin ist dabei fließend. Erwin Neher und Bert Sakmann bekamen ihren Preis 1991 in der Kategorie Medizin. Den gab es für Entdeckungen über die Funktion von Ionenkanälen in Zellen. Das klingt sehr nach Nerd, ist aber eine extrem wichtige Erkenntnis gewesen, denn Krankheiten wie beispielsweise Epilepsie beruhen auf einer defekten Regulierung dieses Ionenflusses. Ihre Forschung war ein Meilenstein auf dem Weg hin zu passgenauen Medikamenten.

Medizin-Nobelpreis 1991: Erwin Neher (Foto) und Bert Sakmann. Foto: Christoph Mischke

Genau wie Hell und Eigen forschten sie nicht an der Universität, sondern am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie am Faßberg. Zusammen mit dem benachbarten MPI für Dynamik und Selbstorganisation bildet es einen riesigen Campus, auf dem das Forschungsleben pulsiert. Betrieben werden sie von der 1948 in Göttingen gegründeten Max-Planck-Gesellschaft e.V.. Praktischerweise liegt nebenan das XLAB, das erste Schülerlabor Deutschlands, in dem der Nachwuchs auf die „Nobelpreisfächer“ neugierig gemacht wird.

Erstes Schülerlabor Deutschlands: das XLAB im Uni-Nordbereich. Foto: Christoph Mischke

Aber natürlich gibt es nicht nur Naturwissenschaftler auf der Liste. Neben den beiden Friedensnobelpreisträgern Ludwig Quidde und Nathan Söderblom ist auch die Literatur vertreten. Der bekannteste Preisträger ist Günther Grass (1999). Der hat seine Spuren in Bronze hinterlassen und seinen Nachlass dem Göttinger Steidl-Verlag vermacht, der wiederum ein Grass-Archiv eingerichtet hat.

Nachlass: das Günter-Grass-Archiv in der Düsteren Straße. Foto: Keindorf

Insgesamt neun der Herrschaften sind auf dem Stadtfriedhof an der Kasseler Landstraße begraben. Ein Nobelpreisträger-Rondell informiert darüber, wer sie waren und was sie taten. Mehr sind nirgendwo an einer Stelle versammelt. Es lohnt sich also, sie zu besuchen.

Neun Preisträger: das Nobel-Rondell auf dem Göttinger Stadtfriedhof. Foto: Christoph Mischke

Warum ist der Nobelpreis so wichtig?

Der Nobelpreis ist eine Art wissenschaftlicher Ritterschlag mit globaler Aufmerksamkeit. Der Pomp bei der Preisverleihung, im Frack vor dem schwedischen Königspaar zu stehen, das ist besonders und trägt zum Mythos bei.

Zu Ehren von Preisträger Stefan Hell: Nobel-Ausstellung in der Alten Mensa. Foto: Keindorf

Wenn der offizielle Teil vorbei ist, gibt es noch einen Abend für alle anwesenden Nobelpreisträger. Wer als „Neuer“ bei der Gelegenheit quakend wie ein Frosch über die Bühne hüpft, bekommt einen besonderen Froschorden.

Ritual: Wer quakt und hüpft, bekommt einen Frosch-Orden. Foto: Keindorf

Das kann man albern finden. Ich denke aber, es ist ein Ritual fürs „Runterkommen“. Es erinnert mich an die mittelalterlichen Kaiserkrönungen in Rom. Da ging der Beichtvater neben dem König her und flüsterte ihm beständig „memento mori – bedenke, dass du sterblich bist“ ins Ohr. Aber das ist eine andere Geschichte…

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Gudrun

Ich bin 1984 von Ostwestfalen zum Archäologiestudium nach Göttingen eingewandert. Nach dem ersten "Kulturschock" habe ich mich gleich pudelwohl gefühlt. Göttingen hat die Infrastruktur einer Großstadt und das Lebensgefühl einer Kleinstadt. Inzwischen arbeite ich seit fast 18 Jahren als Stadtführerin und ich entdecke immer noch neue Seiten an ihr. Vom Trubel der Innenstadt erhole ich mich beim Wandern durch die umliegenden Wälder, am liebsten hinauf zur Plesse. Dort war ich nämlich Archäologin und kenne jeden Stein mit Vornamen.
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