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Auf Tour mit den Barriere Scouts Göttingen

24. November 2022
Für gehende Menschen stellen Stufen vor Geschäften oder Restaurants gewöhnlich keine Schwierigkeit dar. Für Rollstuhlfahrer hingegen schon. Marco Schnyder und seine Barriere Scouts Göttingen wollen in der Stadt für mehr Barrierefreiheit sorgen.

“Herzlich willkommen”, so steht es hier und da vor Geschäften oder Restaurants. Ein Zeichen der Gastfreundschaft, sicher, aber die hat Grenzen und zwar physikalische. Nämlich dann, wenn der Zutritt nur über eine oder mehrere Stufen möglich ist und es sich bei Kund*innen oder Gästen um Rollstuhlfahrer*innen handelt. Marco Schnyder und seine Mitstreiter*innen wollen in Göttingen für mehr Barrierefreiheit sorgen. Da gehenden Menschen oft der Blick für die ausgrenzenden Details fehlt, haben wir mit den Barriere Scouts Göttingen eine kleine Tour unternommen.

Expert*innen in eigener Sache

Orte barrierefrei gestalten

Ich treffe mich mit Marco, seiner Ehefrau Barbara und Demi Post am Gänseliesel. Zuerst möchten sie mir das neuste Projekt der Barriere Scouts vorstellen, die Klapprampen. Eines von vielen, denn die Barriere-Scouts sind Expert*innen in eigener Sache.

Barbara Schnyder vor einem Göttinger Restaurant

Barbara Schnyder: Das “Herzlich Willkommen” hat leider physikalische Grenzen.

Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke

Klapprampe bei "Naturalia"

Fix ausgeklappt: die Rampe bei “Naturalia”.

Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke

Menschen mit Behinderungen, die alltäglich mit Barrieren zu tun haben, nutzen ihr Wissen und bieten es Geschäftsleuten an, die zum Beispiel ihr Kino, ihr Bürogebäude, ihr Restaurant oder ihre Apotheke barrierefrei gestalten möchten. “Kurz gesagt”, meint Marco lächelnd, “arbeiten wir daran, unsere Arbeit überflüssig zu machen.”

„Eine tolle Idee“

Da die Kurze Straße wegen Bauarbeiten gesperrt ist, gehen, respektive rollen wir über den Wochenmarktplatz bis zur Ecke Hospitalstraße. Hier bei Naturalia Naturkost hat Marco bereits 2019 die erste Klapprampe abgeben dürfen. “Damals noch auf meine eigenen Kosten”, sagt er. Inhaberin Veronika Grossert war seinerzeit sofort begeistert von der Idee, eine Klapprampe für Menschen mit Behinderung vorzuhalten. “Eine tolle Idee”, sagt sie, “und außerdem hätte ich ohne Rampe Marco als Kunden verloren.”

 

Demi auf der Klapprampe

Einfach und sicher: Demi zeigt, wie hilfreich die Rampe ist.

Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke

40 Rampen stehen zur Verfügung

Fix ist die Rampe ausgeklappt, auf die Stufen gelegt und Demi zeigt mir, wie bequem und sicher sie über die Schräge ins Geschäft und auch wieder hinausgelangt. Heute muss Marco die Rampen nicht mehr aus der eigenen Tasche bezahlen.

“Die Gelder sind ja da”, berichtet Marco, “und Dank der aktuellen Förderung durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. stehen den Barriere Scouts jetzt fast 40 Rampen zur Verfügung, die auf ihren Einsatz warten. Wer Marco kennenlernt, weiß, dass diese Wartezeit nicht lange währen wird. “Marco ist kein Mäkler, sondern ein Macher”, sagt Ehefrau Barbara. Der wiederum spricht selten in Ich- als in Wir-Form. “Ich mache das doch nicht alleine, sondern ich habe viele Mitstreiter*innen”, betont er immer wieder.

Die Rampen sind kostenlos

Tipps für Gewerbetreibende

“Wenn es darum geht, barrierefreie Zugänge zu schaffen finden das erst einmal alle gut” berichtet er von seinen Erfahrungen, “aber die Umsetzung scheitert häufig. Also drehen die Barriere Scouts den Spieß um, und stehen bei Gewerbetreibenden, wo es Defizite in der Barrierefreiheit gibt, mit einer Test-Klapprampe vor der Tür.

Die Barriere Scouts rollen durch Göttingen

Es gibt noch viel zu tun: Fast täglich sind die Barriere Scouts in Göttingen unterwegs.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Natürlich nicht einfach so, sondern nach Terminvereinbarung. Wenn die Rampe bei dem Unternehmen passt, bekommt es seine eigene Rampe – und zwar kostenlos. Wer kann dazu schon Nein sagen?

Weststadtzentrum, Dorfschänke und Kartoffelhaus

Wer möchte, erhält von den Scouts darüber hinaus noch viele Tipps und Ideen, wie die Innenräume barrierefrei gestaltet werden können. Alleine in den vergangenen Wochen wurden drei Rampen übergeben, an das Weststadtzentrum, an die Dorfschänke in Herberhausen und an das Kartoffelhaus in der Goetheallee.

 

Mit dem Rollstuhl in einer öffentlichen Toilette

Beispiel öffentliche Toilette: Ein Rollstuhl benötigt viel Platz.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Zu wenige öffentliche Toiletten

Doch nicht nur die Eingangsbereiche können für Rollifahrer*innen ein unüberwindbares Problem darstellen, auch die geringe Zahl an öffentlichen Toiletten erschwert ihren Alltag. “Als gehender Mensch kannst Du jede Toilette nutzen, auch in der Gastronomie oder in einem Geschäft”, erläutert Barbara. “Für Menschen im Rollstuhl funktioniert das aber nicht, sie brauchen neben dem barrierefreien Zugang auch breite Türen und entsprechend Platz, um mit dem Rolli rangieren zu können.”

Die vier Toiletten für Fußgänger und Rollifahrer*innen in der Kurzen Straße, in der Friedrichstraße, in der Unteren Karspüle und an der Westseite des Kiessees sind unglaublich wichtig, aber zu wenig, befinden die Drei unisono. Eine weitere, sogar von einem Rollifahrer konzipierte Toilette befindet sich im Neuen Rathaus. Was aber auch nur während der Öffnungszeiten hilft. Ich muss schwer schlucken, als Barbara bitter sagt. “Auf manchen Treffen trinke ich einfach gar nichts, damit ich nicht aufs Örtchen muss.”

Baustelle vorbildlich geöffnet

Aufkleber ”Wir haben eine Rampe”

Auf dem Rückweg durch die Kurze Straße begegnet uns ein positives Beispiel für die Barrierefreiheit in Göttingen. Eigentlich ist die Straße vor dem Schwarzen Bären drei Wochen lang wegen Bauarbeiten für jeglichen Verkehr komplett gesperrt.

Marco Schnyder an einer Baustelle

Vorbildlich gelöst: Baustelle in der Kurzen Straße.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Gespräch mit einer Geschäftsmitarbeiterin.

“eyes + more”: Veronika Woythal bekommt einen Aufkleber für den Store.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Aufkleber mit Piktogramm

Hinweis: Die Aufkleber wurden von Wheelmap entwickelt.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

“Damit die Menschen möglichst wenig Umwege gehen müssen, öffnen wir die Sperrung jeden Tag nach Feierabend gegen 16.30 Uhr, um sie früh morgens wieder dicht zu machen”, erklärt ein Arbeiter. Donnerwetter, das ist ‘ne Menge Arbeit aus “good will”. Schließlich müssen nicht nur die Absperrbaken bewegt, sondern auch die quer über die Fahrbahn führenden Schächte mit Stahlplatten abgedeckt werden. “Das ist vorbildlich”, freut sich Marco. 

Aufkleber ”Wir haben eine Rampe”

Als wir bei “eyes + more” am Kornmarkt vorbeikommen, stoppt die rollende Gruppe plötzlich. “Das Geschäft besitzt zwar schon eine Rampe”, sagt Marco, “aber das sieht ja niemand.” Er überreicht Mitarbeiterin Veronika Woythal einen grün-weißen Aufkleber mit Piktogramm und der Aufschrift “Wir haben eine Rampe” für die Ladentür. “Bitte in rund einem Meter Höhe anbringen, denn das ist die Rolli-Augenhöhe”, sagt er lächelnd.

 

Sozialhelden-Gründer Raul Krauthausen

Einfach machen: Raul Krauthausen spricht beim Göttinger Literaturherbst 2021.

Foto: Christoph Mischke

Wheelmap zu rollstuhlgerechten Orten

Der Aufkleber ist von Wheelmap, einer Online-Karte zum Finden und Markieren rollstuhlgerechter Orte. Wheelmap ist ein Projekt des Sozialhelden e.V., das Informationen über rollstuhlgerechte Orte sammelt und öffentlich zugänglich macht. Es wurde 2010 von Raul Krauthausen gestartet und ist mittlerweile die größte Online-Plattform ihrer Art. Das Tollste ist, jeder kann ohne eine Registrierung dazu beitragen. Öffentlich zugängliche Orte wie Restaurants, Hotels, Kinos, Supermärkte, Banken oder Geschäfte werden auf Wheelmap nach einem Ampelsystem, entsprechend ihrer Zugänglichkeit für Rollstuhlnutzer markiert.

 

Das Café "Inti"

Nahezu barrierefrei: das Café “Inti” in der Friedrichstraße.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

 

Ein paar Verbesserungen gewünscht

Draußen ist es recht frisch und uns gelüstet nach einem Heißgetränk, also ab ins Café Inti, einem nahezu barrierefreien Ort. Die kleine Alu-Rampe vor der niedrigen Stufe ist für meine drei Begleiter*innen kein Hindernis. Die Bedienung räumt blitzgeschwind drei Stühle an einem der Tische zur Seite, um Platz für die Krankenfahrstühle zu schaffen. Die als rollstuhlgerecht deklarierte Toilette könnte allerdings, da sind sich die Barriere Scouts einig, Verbesserungen erfahren. Dort, wo eigentlich Platz zum Rangieren sein sollte, befindet sich nämlich derzeit ein Wickeltisch.

 

Offen und hilfsbereit: SC Hainberg

Gut vernetzte Community

Doch wie ist es eigentlich zu den Barriere Scouts gekommen? “Wenn Du einen Rollstuhl bekommst, erhältst Du von den ausliefernden Sanitätshäusern maximal eine technische Einweisung”, erklärt Marco. “Niemand zeigt Dir, wie Du am besten über einen Bordstein kommst oder wie Du den Greifring anfassen musst, ohne Dir die Finger zu schreddern.”

Rollstuhl-Basis in der Funsporthallle

Die Rollstuhl-Basis in der Funsporthalle auf den Zietenterrassen wurde am 19. November eröffnet.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Die Rollstuhl-Basis in der Funsporthalle

Rollstuhl-Basis: Tipps, Tricks und voneinander lernen.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Also, selber machen. Auf der Suche mit weiteren Betroffenen zu lernen, zu üben und die Erfahrungen zu teilen, stieß er auf die FunSporthalle auf den Zietenterrassen. “Die Betreiber, der SC Hainberg, waren da von Beginn an unheimlich offen und hilfsbereit”, berichtet Marco. Sie konnten in der Halle Ausbilder vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) einladen und sich selbst schulen lassen. Inzwischen ist eine gut vernetzte Community mit eigener Whatsapp-Gruppe gewachsen, die sich gegenseitig unterstützt und bei allen Fragen helfen kann. Sei es direkt oder durch die Vermittlung von hilfreichen Kontakten.

Rollstuhl-Basis in der FunSporthalle

Vielseitiger Übungs-Parcours 

Dazu dient auch die Rollstuhl-Basis des SC Hainberg, die am 19. November in der FunSporthalle auf den Zietenterrassen eröffnet wurde. Optisch weist ein riesiges Graffito in der Halle auf diese neue Übungsmöglichkeit hin.

Die Rollstuhl-Basis in der Funsporthalle

Ausprobieren: Viele Behinderte und nichtbehinderte Menschen waren zur Eröffnung der Rollstuhl-Basis gekommen.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Rollstuhl-Basis in der Funsporthalle

Ulrich Frebold schafft die steile Rampe nur mit großer Geschicklichkeit.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Rollstuhl-Basis in der Funsporthalle

Umgekippt: Ohne Training landet man schnell auf dem Hallenboden.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Marco lädt alle Menschen, die einen Rollstuhl bekommen haben oder bekommen werden, zu gemeinsamen Übungsabenden ein. “Wir machen hier aber keinen Rollstuhlsport”, betont er”, wir probieren ganz viel aus, lernen voneinander und geben Tipps und Tricks im Umgang mit dem Rolli weiter.” Dazu dient ein vielseitiger Parcours, der Schrägen mit unterschiedlicher Steigung, Bordsteine und Treppen simuliert. 

Wichtiges Training

 Am Eröffnungsnachmittag überzeugten sich viele Menschen mit und ohne Behinderung wie das genau funktioniert. Familien, Sportler*innen des SC und auch Kommunalpolitiker, die dieses Initiative ausdrücklich lobten und ihre Unterstützung bei weiteren Vorhaben zusagten, setzten sich in die Rollis und versuchten die Hindernisse zu bewältigen. Vor allem die Kinder schafften das mit Bravour. Bei den Erwachsenen sah das vielfach etwas anders aus. Kraft alleine reicht meist nicht, um eine sechsprozentige Steigung zu bewältigen. Wer es trotzdem nur mit heftigem Schwung versuchte, landete schnell auf dem Hallenboden. Ein weiterer Beweis, wie wichtig diese Übungen sind. Wer sich für das Training oder eine Klapprampe für sein Unternehmen interessiert, kann sich gerne an Marco Schnyder wenden, per E-Mail unter rollitraining@sc-hainberg.de oder unter Telefon 05 51 / 63 41 65 55.

 

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