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Heim für Bienen: Stadtimker in Göttingen

23. Juli 2020
„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahr zu leben“, soll Albert Einstein einst gesagt haben. Ob das Zitat tatsächlich von ihm stammt, wird angezweifelt, ist aber auch egal. Fakt ist: Die Honigbiene spielt weltweit die größte ökologische Rolle, denn fast 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen werden […]

„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahr zu leben“, soll Albert Einstein einst gesagt haben. Ob das Zitat tatsächlich von ihm stammt, wird angezweifelt, ist aber auch egal. Fakt ist: Die Honigbiene spielt weltweit die größte ökologische Rolle, denn fast 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen werden von ihr bestäubt. Es ist also gut, ihr, ebenso wie den Wildbienen, ein Zuhause zu bieten. Das tun inzwischen immer mehr Menschen in ihrer Freizeit, auf dem Land, aber auch mitten in der Stadt. Ich habe zwei Göttinger Bienenfreunde und Hobby-Imker besucht.

Musiker an Beute und Bienenkiste

Über den Dächern der Stadt: Anflug auf die Bienenkiste. Foto: Christoph Mischke

Kontrolle: Behutsam öffnet Toni Säckl die Ein-Raum-Beute. Foto: Christoph Mischke

Anton Säckl und Peter Funk sind nicht nur Nachbarn im Leineviertel, sie sind auch befreundet. Ich kannte beide bis dato nur als hervorragende Musiker. Anton, den alle nur Toni nennen, spielt am Deutschen Theater Klarinette, Querflöte und Saxophon. „Eigentlich würde ich am DT gerade für ‚Cabaret‘ spielen“, sagt er traurig, „aber du weißt ja wie es ist.“ Auch Peter ist in den vergangenen Monaten zu musikalischem Nichtstun verdammt, zumindest, was seine Solo-Live-Auftritte oder Gigs mit seiner Combo „Front Porch Picking“ angeht. Dass die beiden sich mit der Hobby-Imkerei beschäftigen, habe ich erst vor kurzem erfahren und wollte mehr darüber wissen.

„Die sind ganz friedlich“

Gespannt: Astrid und Peter Funk mit Toni Säckl. Foto: Christoph Mischke

Leckere Wildkräuter: Biene im Anflug auf eine Borretsch-Blüte. Foto: Christoph Mischke

Wir treffen uns zu viert, Peters Ehefrau Astrid ist auch dabei, auf Tonis Dachterrasse. Neben allerlei Blühpflanzen entdecke ich zwei größere Holzkisten an deren Öffnungen ein permanent summendes Gewusel herrscht. „Kannst ruhig Fotos aus der Nähe machen“, sagt Toni, „die sind ganz friedlich, wenn Du ihnen das Einflugloch nicht versperrst.“ Vorsichtig mache ich ein paar Bilder von der Seite und, siehe da, ich bin den fleißigen Pollensammlern völlig egal. Er erklärt mir den Unterschied zwischen der hochgebauten Ein-Raum-Beute und der flachen Bienenkiste. Ich kannte bisher nur diese aufeinandergestapelten sogenannten Magazin-Beuten, die man ab und zu in Gärten oder auf Streuobstwiesen sieht. Dort werden die Bienen zur Honigproduktion häufig ausgetrickst. „Der Imker fügt in einen Teil der Beute vergitterte Zwischenwände ein, so dass nur die Arbeitsbienen hindurchpassen, um Honigwaben zu bauen. Die wesentlich größere Königin dagegen passt zur Eiablage nicht hindurch.“

4,4 Kilogramm Bienen

Fleißig: Knapp die Hälfte dieses Rahmens ist mit Waben bebaut. Foto: Christoph Mischke

Um die Honigproduktion geht es Toni und Peter allerdings weniger bis gar nicht. Peter lässt den Bienen ihren Honig und auch Toni hat bisher nur einmal einige Kilo entnommen. Quasi zum Probieren und, in kleine Gläschen abgefüllt, zum Verschenken an Familie und Freunde. Wie kommt man aber eigentlich an ein Bienenvolk? „Wir sind von der Feuerwehr angerufen worden“, erklärt Toni, „weil sich ein Schwarm in einer Linde niedergelassen hatte und eingefangen werden musste.“ Das haben die beiden Hobby-Imker dann auch getan – in rund sechs Metern Höhe. „Es war ein riesiger Schwarm“, berichtet Toni, „4,4 Kilogramm Bienen.“ Ich staune, dass man Bienen in Kilogramm misst. „Zählen kann man sie ja schlecht“, bemerkt Peter trocken. Toni erklärt mir, dass so ein ganzes Volk auch „der Bien“ genannt wird. „Diese Masse aus Bienen ist ein eigener Superorganismus, der Fähigkeiten besitzt, die die einzelne Biene nicht hat“, erklärt er.

Blick in die Ein-Raum-Beute

Den Bienen ins Haus geschaut: das Innere der Ein-Raum-Beute. Foto: Christoph Mischke

Ich würde ja gerne einmal in das traute Heim der Bienen hineinschauen. Das ist überhaupt kein Problem, sagen die Bienenfreunde, zumal sie das Innere ja sowieso des Öfteren kontrollieren. Vorsichtig hebt Toni den hölzernen Deckel seiner Ein-Raum-Beute ab und zieht behutsam die schützende Isolierfolie zur Seite. Jetzt sind die Holzrahmen zu erkennen, an denen die Bienen ihre Waben bauen. Ziemlich fleißig waren sie, so dass die Waben fast in der Mitte zusammenstoßen. Mich erstaunt, wie friedlich die Bienen bleiben, obwohl wir gerade zu viert in ihre geöffnete Behausung schauen. Ich wäre echt sauer, wenn man mir zuhause ungefragt das Dach öffnete. Die Bienenkiste bei Anton bleibt heute geschlossen. „Da kannst du nachher bei Peter einen Blick hineinwerfen“, verspricht er, „denn er öffnet sie heute, um zu kontrollieren, wie voll seine Bienen sie bereits gebaut haben.“ Ui, ich bin gespannt.

Ökologischer Aspekt

Alles meins: Honigbiene an einer Sonnenblume. Foto: Christoph Mischke

Tonis Freundin Lea hatte ihn vor drei Jahren auf die Idee gebracht, sich mit der Imkerei zu beschäftigen. „Für mich gilt dabei der ökologische Aspekt, die Bienen zu unterstützen“, erklärt er mir, „denn sie haben es heutzutage wirklich schwer.“ Das theoretische Wissen über die Bienenhaltung vermittelte ihm ein Kurs bei der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK). Die Praxis erwarb er sich bei Imker-Freunden und durch „learning by doing“. Er führt genau Buch über seine Bienen. Nicht etwa zum Spaß, sondern unter anderem wegen des Gewichts der Völker. Das gibt ihm Aufschluss darüber, ob und wieviel er gegebenenfalls für die Winterzeit in Form von Zuckerwasser zufüttern muss.

Rote Höschen

Mit Höschen: Biene nascht auf einer Wildrose. Foto: Christoph Mischke

Anton genießt die Zeit, wenn er auf seiner Dachterrasse sitzt, den Wachsduft riecht und einfach dem Summen zuhört. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Wenn man die Bienen genau beobachtet, sieht man, wie die kleinen gelb-orangenen Puschel an ihren Hinterbeinen kleben, die sogenannten Pollenhöschen. „Wenn die Rosskastanie in der Nachbarschaft blüht“, berichtet er, „sieht man genau welche Bienen dort waren, denn deren Höschen sind dann richtig rot.“ Ein Alptraum für jeden Imker, so erfahre ich, ist die Amerikanische Faulbrut, die auch Bienenpest genannt wird. Dabei handelt es sich um eine bakterielle Brutkrankheit, bei der Sporen die Brut zersetzen und die als Tierseuche anzeigepflichtig ist. Das Veterinäramt würde in diesem Fall eine 3-Kilometer Quarantänezone um den befallenen Bereich ziehen, innerhalb derer die Imker ihre Völker und das komplette Equipment vernichten müssten. Meist geschieht dies durch Verbrennen. Zum Glück sind Toni und Peter davon noch nie betroffen gewesen.

Wachsstreifen als Hilfe

Aus Holz und Wachs: Peter Funk bastelt Anfangshilfen für seine Bienen. Foto: Christoph Mischke

Natürlich habe ich auch die Klassikerfrage im Angebot, ob er denn schon häufig gestochen worden ist. „Ja“ sagt Anton grinsend“, „einmal war ich unvorsichtig und habe beim Öffnen der Bienenkiste zwischen Halbschuhen, Socken und Hose eine Lücke gelassen. Dort war ich angreifbar und wurde bestimmt 50 Mal gestochen. Am Abend habe ich dann bemerkt, dass ich echt Gift in meinem Körper habe.“ Wir gehen nun zwei Häuser weiter zu Peter und Astrid in den Garten, denn dort steht ja noch die aufregende Öffnung der Bienenkiste an. Peter bastelt im Keller gerade sogenannte Anfangshilfen für seine Ein-Raum-Beute. Das sind schmale Bienenwachsstreifen, die er in den Holzrahmen als Bauhilfe befestigt. Wie sich später beim Öffnen herausstellt, wird er sie heute nicht benötigen, da noch genügend Platz für den Wabenbau der Bienen vorhanden ist.

„Gelée royale“ für die Königin

Markiert: eine Bienenkönigen und ihr Hofstaat. Foto: Christoph Mischke

Unterwegs: Bienenschwarm an einem Ampel-Schaltkasten. Foto: Christoph Mischke

Peter hat seine beiden Völker von einem Freund bekommen. Er erklärt mir, dass, wenn das Volk zu kräftig wird, die Hälfte des Stamms mit der alten Bienenkönigin ausschwärmt, während die andere Hälfte in der Behausung verbleibt und sich eine neue Bienenkönigin heranzieht. Das geschieht, indem die auserwählte Larve ausschließlich mit „Gelée royale“, einem speziellen Sekret gefüttert wird. Echt spannend.

Das heftige Summen

Ungeschützt: Ich setze auf die Friedfertigkeit der Bienen. Foto: Astrid Funk

Alter Trick: Rauch aus dem Smoker beruhigt die Bienen. Foto: Christoph Mischke

Rahmen voll: Auch Peters Bienenvolk war sehr fleißig. Foto: Christoph Mischke

Nun steht aber die versprochene Öffnung der Bienenkiste an. Sollte ich besorgt sein, dass Peter und Toni sich nun ihre Imkerkleidung, sprich: Hauben, Jacken und Handschuhe angezogen haben? Astrid beruhigt mich, der ich dort im kurzärmeligen T-Shirt stehe. Ich gebe zu, mir ist etwas unwohl. Sie selbst trägt zwar einen Rock, aber immerhin eine feste Jeansjacke. Toni schickt mich in die Nische zwischen Hühnergehege und Baumhaus und meint, von dort hätte ich eine gute Fotoperspektive. Ich soll mich nur ruhig dort hinhocken. Gesagt, getan. Vorsichtig drehen die Männer die Kiste um 90 Grad und stellen sie schräg an einen Campingtisch. Dann öffnen sie die Verschlüsse und heben den Deckel ab. Sofort beginnt ein heftiges Summen, die Bienen fühlen sich gestört, sind aber sichtlich weniger wütend, als ich befürchtet hatte.

Ein fleißiges Volk

Smoker: Jeder Imker verwendet seine eigene Mischung Foto: Christoph Mischke

In Montur: Peter und Toni öffnen Peters Bienenkiste. Foto: Christoph Mischke

Faszinierend: Das Wabenwerk von zwei Monaten. Foto: Christoph Mischke

Selbst ich als Laie kann erkennen, dass in der Kiste noch genügend Raum zum Wabenbau ist. „Ab August verlangsamen die Bienen außerdem ihre Bautätigkeit“, erklärt Peter. Ich staune allerdings, als ich erfahre, dass die Waben, die ich vor mir sehe, alle seit dem 2. Mai gebaut wurden. Das wissen Astrid und Peter ganz genau. Donnerwetter, echt fleißig, so ein Bienenvolk. Kaum ist der Deckel wieder zu und die Bienenkiste an ihrem angestammten Platz, beginnt es zu regnen, keine Minute zu früh. Ich bedanke mich für den spannenden Nachmittag, an dem ich viel gelernt habe und freue mich, die beiden Musiker einmal von einer anderen Seite erlebt zu haben. Als ich zum Auto gehe, ertappe ich mich dabei, dass ich ein Lied von Tom Petty vor mich hin summe: „Honey Bee“ von seinem 94-er „Wildflowers“-Album.

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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