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„Game on“: Darts-Europameisterschaft

31. Oktober 2019
Bei der Darts- Europameisterschaft der PDC, genannt European Darts Championship (EDC), treten die 32 besten Spieler der vorangegangenen European Darts Trophy (EDT) an. Göttingen war zwar 2017 und 2018 bereits Gastgeber der EDT, aber in diesem Jahr wurde in der Lokhalle zum ersten Mal die Europameisterschaft ausgetragen. Freunde erzählten mir von der unglaublichen Stimmung, die […]

Bei der Darts- Europameisterschaft der PDC, genannt European Darts Championship (EDC), treten die 32 besten Spieler der vorangegangenen European Darts Trophy (EDT) an. Göttingen war zwar 2017 und 2018 bereits Gastgeber der EDT, aber in diesem Jahr wurde in der Lokhalle zum ersten Mal die Europameisterschaft ausgetragen. Freunde erzählten mir von der unglaublichen Stimmung, die sie in den Vorjahren in der ehemaligen Industriehalle erlebt hatten. Nun, ich habe in meinem Leben bestimmt noch keine fünfzig Dart-Pfeile geworfen, aber die überschwänglichen Schilderungen wecken doch meine Neugier. Als ich bereits am Samstagnachmittag zufällig sieben, mit ballonseidenen Jogginganzügen, Vokuhila-Perücken, Sonnenbrillen und Rapper-Ketten kostümierte, Kumpels aus Mecklenburg-Vorpommern treffe, ist die Sache klar. Bei Flaschenbier und Pizza in der Göttinger City bitten sie um ein Foto und ich erfahre, dass die Jungs vom Dart nicht die blasseste Ahnung haben. Sie sind auf Party aus. Also mache ich mich am Abend, an dem die zweite Vorrunde ausgespielt wird, auf den Weg.

Wikinger, Superhelden und Irokesen

Vorglühen in der Göttinger City: Fans aus Mecklenburg-Vorpommern. Foto: Christoph Mischke

Party-People: Worauf diese Herren aus sind, ist wohl klar. Foto: Christoph Mischke

Vor der Halle angekommen, bekomme ich schon eine leise Ahnung dessen, was drinnen wohl, abgeht. Hunderte von Fans stehen in einer langen Schlange vor dem Einlass. Mindestens die Hälfte von ihnen ist aufwändig kostümiert, wie zu besten Karnevalszeiten im Rheinland. Ich sehe Chinesen in gelber Seide, Wikinger mit gehörnten Helmen und langen Bärten und unzählige Irokesen mit knallbuntem Haarschopf. Sicher eine Würdigung des derzeit wohl schillerndsten Dartspielers Peter „Snakebite“ Wright, der zu dieser Zeit aber bereits ausgeschieden ist. Es gibt jede Menge Schlümpfe und Superhelden, Mexikaner in Ponchos und Sombreros, sogar Kapitäne und Astronauten. Pailletten-Krawatten, blinkende Hüte, Dartscheiben als Brillen oder Kopfschmuck und Haarreifen, die aussehen, als habe man einen Pfeil im Schädel stecken. Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass nahezu jeder in der Schlange bereits mindestens ein Vorglüh-Bier auf der Hand hat. Von der Trinkfreudigkeit der Besucher hatte ich ebenfalls schon gehört. Die Pfand-Sammler vor der Halle machen jedenfalls einen guten Umsatz. Oft bekommen sie die Flaschen direkt in die Hand gedrückt. Ein feiner Zug.

4.000 Menschen feiern, was das Zeug hält

Stimmung: 4.000 Menschen feiern in der Lokhalle ab. Foto: Christoph Mischke

2. Vorrunde: Stephen “The Bullet” Bunting vs. Michael Smith. Foto: Christoph Mischke

Beim Einlass mit Body-Check treffe ich auf eine Fussballtipp-Runde aus Wolfenbüttel. Die vier Männer tragen Dart-Scheiben um die Köpfe und sind extra für die EDC nach Göttingen gekommen. „Das ist eine Teilausschüttung unserer Kasse“, sagen sie lachend. Ich frage, ob sie neben Fußball- auch Dart-Experten sind. Anwort: „Nee, wir spielen nicht einmal“. In der Halle ist, wie man so schön sagt, die Hölle los. Rund 4.000 Menschen sitzen an oder stehen auf Bierzelt-Garnituren und feiern, was das Zeug hält. Dabei hat das erste Spiel, hier Leg genannt, noch nicht einmal begonnen. Von hinten ist die Wettkampf-Dartscheibe nur zu erahnen, aber auf zwei großen LED-Wänden, die von rund zwanzig Kameras im Saal mit Bildern versorgt werden, sind die Spieler und die Ergebnisse auch von hier gut zu erkennen. Ich komme gerade zeitig genug, um den Einlauf, die Darter sagen „Walk-on“, der ersten beiden Spieler Vincent van der Voort „The Dutch Destroyer“ und Chris Dobey zu erleben. Dicht begleitet von Kameras und zwei hünenhaften Body-Guards klatschen sie ihre Fans rechts und links ab, schütteln Hände und verteilen auch hier und da ein Küsschen.

„One hundred and eighty“

Lustige Botschaften per Papp-Schild: Dart-Fans in der Halle. Foto: Christoph Mischke

Konzentriert: Mit Argusaugen beobachtet sie das Spiel. Foto: Christoph Mischke

Ein kurzes Händeschütteln der Gegner, ein Schulterklopfen, dann fliegen die Pfeile. Deren Einschlag auf der Scheibe ist dank eingebauter Mikrofone in der Halle deutlich zu vernehmen. Ich habe, wie bereits geschrieben, quasi keine Ahnung vom Dart und werde deshalb hier auch nicht so tun, als ob ich die Regeln verstanden hätte. Trotz meiner Unkenntnis packt mich diese fröhliche, überbordende Stimmung in der Halle schnell. Die Dart-Freunde in der Halle reagieren schnell auf besonders gute oder schlechte Würfe. Sie springen auf, wenn ihr Lieblingsspieler in Führung geht, grölen und singen, was das Zeug hält. Manche stehen sogar auf den Bänken oder tanzen buchstäblich auf den Tischen. Die anwesenden Security-Leute sorgen dann allerdings dezent dafür, dass sie sich wieder setzen, um anderen nicht die Sicht zu verderben. Besonders gewaltig geht die Meute ab, wenn ein Spieler dreimal die Dreier-20 auf der Scheibe trifft. Parallel zum langgezogenen „One hundred and Eighty“ des Hallensprechers schnellen hunderte von Pappschildern, mit einer großen 180 darauf, in die Höhe. Die Rückseite ist weiß und von den meisten hier mit eigenen Botschaften beschriftet. „Phil Taylor for President“, „Elmar, Tisch 1: Platz 6 hat Durst“ oder „Ich muss mal Pipi“ steht darauf zu lesen.

Die Zapfer geben ihr Bestes

Dart-Stars sogar auf dem Getränk: Gezapftes im Pfandbecher. Foto: Christoph Mischke

Nach einigen Legs verlassen die Spieler die Bühne. Ich frage einen Steward der PDC ziemlich dusselig und auf Englisch, ob es schon vorbei ist. „No, its just a commercial break“, bekommt der Neuling freundlich und nachsichtig zur Antwort – Werbepause für die Übertragung auf dem Bezahl-Kanal. Ich folge Hunderten auf dem Weg zum nächsten Bierstand und entscheide mich für den außenliegenden Raucherbereich. Florentin aus Hamburg, der lange in Göttingen gewohnt hat, nimmt die Wartezeit gelassen. Offensichtlich hat er aber schon einige Bierchen intus, denn, eine von seinem Kumpel Johannes gereichte Zigarette drückt er aus, ohne sie überhaupt angezündet zu haben. Die Zapfer geben ihr Bestes, werden dem Ansturm aber nur mit Mühe Herr. Und, je länger es dauert, desto mehr Bier bestellen die Dart-Party-People auf einmal. Einer schleppt 24 mit dem Konterfei von berühmten Spielern versehene Kunststoffbecher in 4er-Trägern weg. Kostenpunkt mit Pfand, schlappe 168 Euro. Das wird sicher ein teures Wochenende, denke ich. Alexander, Hobby-Darter aus der Nähe von Wolfsburg, ist sauer. Ihm dauert das viel zulange. Gekleidet in einen quietschbunten Phantasie-Anzug, der schwer an die 70er-Jahre erinnert, hat er Sorge seinen Lieblingsspieler Stephen „The Bullet“ Bunting zu verpassen, der demnächst antritt. „Ich spiele sogar dieselben Pfeile, wie er“, sagt er mir stolz.

 „Das muss man gesehen haben“

Haben Spaß: Martina, Jürgen, Christopher, Marcel und Mike. Foto: Christoph Mischke

Brüllen für Gerwyn Price: die Panzerknacker. Foto: Christoph Mischke

Zurück in der Halle sind Bunting und sein Gegenspieler Michael Smith gerade beim „Walk on“. Das anschließende Leg wird Alexander aber keine große Freude bereitet haben. Nach einem durchaus spannenden Match scheidet Bunting mit 10:7 gegen den „Bully Boy“ aus. Martina und Jürgen sitzen an einem der vorderen Tische und schauen dem Treiben auf der Bühne gebannt zu. Einmal pro Jahr gehen sie auf ein großes Dart-Event, seit sie es vor ein paar Jahren im englischen Fernsehen zum ersten Mal gesehen haben. „Wir haben Tickets für den Sonnabendabend und für Sonntagnachmittag“, berichten sie. „Am Montag haben wir auch noch frei, dann wollen wir uns Göttingen anschauen“. Der letzte Satz freut mich besonders. Gegenüber sitzen Marcel, Mike und Christopher aus dem Ostharz. Das Thüringer Trio ist etwas traurig, dass ihr Lieblingsspieler Peter Wright, der mit dem bunten Irokesen-Schnitt, nicht mehr dabei ist. Trotzdem fiebern und feiern sie mit. Sie sind bereits zum vierten Mal auf einer Darts-Großveranstaltung, denn „das muss man einfach gesehen haben.“

Tosendes Gebrüll und blinkendes Merchandising

Wurde nur Zweiter: Gerwyn “The Iceman” Price. Foto: Christoph Mischke

Walk on: Dart-Fans warten auf ihre Stars. Foto: Christoph Mischke

Während „You shook me all night long“ von AC/DC aus den Hallen-Lautsprecher tönt, spricht mich ein „Mexikaner“ auf Englisch an, ob ich ihm sagen kann, wie die Punkteregelung funktioniert. Als ich verrate, dass ich absolut keine Ahnung habe, lacht er laut auf, gibt mir High Five und ruft „me too.“ Ich schaue mir den riesigen Merchandise-Stand in der Halle an. Hier gibt es so ziemlich alles, was mit dem Dart-Sport zu tun hat, käuflich zu erwerben. Fan-Trikots und -Schals, Dart-Pfeile und Zubehör unterschiedlichster Preisklassen, Cases, Pins, Autogrammkarten und allerlei bunten oder blinkenden Verkleidungskram wie Hüte, Krawatten, Masken und Sonnenbrillen. Inzwischen spielt Gerwyn „The Iceman“ Price gegen Nathan „The Asp“ Aspinell. Eine absolut packende Begegnung, die auch mich Dart-Null nicht kalt lässt. Price gleicht in einem nervenaufreibenden Parforce-Ritt einen 0:5 Rückstand in der ersten Session bei der nächsten zum 5:5 aus, bevor er mit 10:6 nach der dritten Session ins Viertelfinale einzieht. Das reißt seine Fans, die unter anderem als Panzerknacker verkleidet sind, mit tosendem Gebrüll und hochgereckten Armen von ihren Bierbänken.

120.00 Pfund für Sieger Rob “Voltage” Cross

Auf der Siegerstraße: Rob “Voltage” Cross liegt gut im Rennen. Foto: Christoph Mischke

Volles Haus: gigantische Stimmung zum Finale. Foto: Christoph Mischke

Für mich ist es heute erst einmal gut und ich verlasse vor dem letzten Match die Halle, um noch fix eine Bratwurst zu essen. Die mir von Freunden empfohlenen Ohrstöpsel kann ich jetzt ja herausnehmen. Einigen anderen Darts-Partygängern reicht es auch schon, allerdings aus anderen Gründen. Captain America und seine kostümierten Avenger-Gefährten stehen nämlich nicht mehr so sicher auf den Beinen, als könnten sie heute noch die Erde retten. Auch die jamaikanische Bob-Mannschaft zerlegt im feucht-fröhlichen Zustand der Gnade vor der Halle gerade ihren Papp-Schlitten. Eigentlich wollte ich es bei dem Samstagabend für einen ersten Eindruck bewenden lassen, aber nun möchte ich unbedingt auch sehen, wer das Turnier gewinnt. Das steht am darauffolgenden Sonntagabend um 22.30 Uhr fest.

Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler überreicht den Pokal. Foto: Christoph Mischke

Hohes Preisgeld: Rob Cross ist um 120.000 Pfund reicher. Foto: Christoph Mischke

Rob „Voltage“ Cross holt mit 11:6 gegen den „Iceman“ seinen dritten großen Titel. Cross gewinnt ein Preisgeld von 120.000 Pfund und ich treffe noch Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler, der dem Gewinner den riesigen Silberpokal überreichen darf. Ich persönlich habe gestern und heute einiges über den Dart-Sport gelernt, würde mir das Ganze aber lieber in einem kleineren Rahmen ansehen. Für Menschen, die wilde Sportpartys in großer Gemeinschaft lieben, ist so ein Event, vor allem, weil es zwar laut, aber friedlich abläuft, genau das Richtige. „Leider steht Göttingen bislang nicht auf dem Tourplan der EDC im kommenden Jahr“, sagt mir Lokhallen-Manager Kai Ahlborn beim Verabschieden. Schade.

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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