Was aus der Luft gesehen derzeit noch ein wenig wie eine begrünte Kraterlandschaft wirkt, entpuppt sich am Boden bereits als blühende Oase, in der es summt, zwitschert, quakt und manchmal auch muht. Von Menschenhand vorbereitet, erobert sich die Natur im neuen Biotop am Flüthewehr ihren Lebensraum weitgehend selbst. Das tut sie schließlich schon seit Zehntausenden von Jahren – wenn man sie nur lässt.
Aus Ackerland wird Auenwald
Rückzugsraum für Insekten und Amphibien
Und hier wird sie gelassen. Auf dem zuvor intensiv genutzten Ackerland wird sich im Lauf der Jahre ein Auenwald entwickeln, mit Erlen, Weiden und Pappeln. Unter Koordination der Heinz-Sielmann-Stiftung und in Zusammenarbeit mit der Stadt Göttingen, die die 16 Hektar große Fläche zur Verfügung gestellt hat, und auch zukünftige Pflegemaßnahmen übernimmt, wurden zahlreiche Flutrinnen, Mulden und Senken angelegt.

Das Biotop Flüthewehr: Auf 16 Hektar wird die Natur weitgehend sich selbst überlassen.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Ideal zum Beobachten und Fotografieren: die Plattform an der Westseite.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Als Rückzugsraum für Insekten und Amphibien gibt es Flachwassertümpel, die nur zeitweise mit Wasser gefüllt sind, und einen Weiher. Rundwege und zwei Beobachtungsplattformen bieten Naturfreund*innen und Fotograf*innen prima Ausblicke. Die Firma Sartorius hat die Investition für die Schaffung des Biotops in Höhe von mehr als einer Million Euro übernommen.
Es summt und brummt: Insekten tummeln sich auf den blühenden Weideflächen.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Nicht sehr wählerisch: Zwergzebus pflegen die Weideflächen.
Foto: Henrik Dzeia
Zwergzebus pflegen die Landschaft
Es ist brütend heiß, an diesem Sommertag Anfang Juli, das Thermometer weist 30 Grad aus und die Sonne brennt vom Himmel. Den Insekten auf den blühenden Wiesen scheint das nichts auszumachen. Tausende von Wildbienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlingen machen sich summend und brummend über das üppige Nahrungsangebot her.
Wobei der Begriff Wiese nicht ganz korrekt ist, denn es handelt sich um Weideflächen. Derzeit werden sie von einer Herde Zwergzebus, das ist quasi die kleine Version der indischen Buckelrinder, genutzt. Sie sind robust, widerstandsfähig und, was den Weidebewuchs als Futter angeht, nicht sehr wählerisch. Das ist mal natürliche Landschaftspflege. Etwas vorsichtig sind sie noch in ihrem neuen Habitat, aber so wirklich scheu nun auch wieder nicht.
Erste Eisvögel gesichtet
Fische, Libellen und Posthornschnecken
Wer sich auf das neue Areal einlässt, und das solltet ihr unbedingt tun, und sich ein wenig Zeit nimmt, kann auch im Kleinen eine Menge entdecken. In dem kleinen Seitenarm, der am Wehr unter der Holzbrücke fließt, könnt ihr Fische sehen und Posthornschnecken, die sich an Algen und Wasserpflanzen gütlich tun.

Infotafel, Fahrradbügel und Liegestuhl: der Weg zur östlichen Aussichtsplattform.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Leben im Bachlauf: die Stockenten-Mama mit ihren Küken.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Während Mama Stockente ihren Küken zwischen den Wasserlinsen das Gründeln beibringt, sind zahlreiche Libellenarten unermüdlich auf der Jagd nach ihren Opfern. Wenn sie sich auf ihrer Warte auf den Uferpflanzen ausruhen, sind sie schön zu beobachten. Am frühen Abend stimmen dann die Frösche ihr vielstimmiges, lautstarkes Konzert an. Die seltenen Eisvögel, die hier auch schon gesichtet worden sein sollen, habe ich allerdings nicht entdecken können.
Aussichtsplattformen und Liegestuhl
Infotafeln mit QR-Codes
Nicht alle vertieften Bereiche des Biotops führen ganzjährig Wasser, wie zum Beispiel die Flutrinnen, die, wie der Name schon sagt, dem Hochwasserschutz dienen und durchaus längere Zeit trocken liegen. Aber auch dann sind sie nicht tot, sondern bieten kleinen Landlebewesen Unterschlupf.

Mehrwert: QR-Codes auf den Info-Tafeln führen weiter ins Thema.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Einfach mal den Wolken zuschauen: entspannen im Liegestuhl.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Besonders gut könnt ihr das auf dem Steg mit der Aussichtsplattform an der Ostseite des Geländes beobachten. Hier gibt es auch Fahrradbügel zum Anschließen eurer Räder. Genaueres zu allen Bereichen des Biotops findet ihr samt QR-Codes auf den Infotafeln, die ringsum das Gelände aufgestellt sind. Ach ja, wenn ihr einfach nur mal den Wolken beim Vorbeiziehen zugucken möchtet, macht es euch auf dem hölzernen Riesen-Liegestuhl bequem.
Wissenswertes: Infotafeln gibt es rund um das Areal.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Besser festes Schuhwerk
Kleiner Tipp: Ihr solltet bei euren Erkundungen festes Schuhwerk tragen. Der grobe Schotter, der als Belag des östlichen Teils des Wegs um das Biotop gewählt wurde, setzt dünnen Sneakersohlen und auch Fahrradreifen ziemlich zu.
Ein paar Abfallbehälter würde ich mir auch wünschen. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Besucher*innen und Erholungssuchende ihren Müll wieder mitnehmen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass diese Appelle bei einigen Zeitgenoss*innen augenscheinlich nicht fruchten.