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Göttinger gegen Plastikmüll

22. November 2018
Laut einer aktuellen Studie werden jährlich rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll achtlos in die Umwelt, in die Meere entsorgt – direkt oder auf Umwegen und mit drastischen Folgen. Mittlerweile wurden für mehr als 800 Arten von Meereslebewesen negative Auswirkungen durch den Müll nachgewiesen, hauptsächlich durch Verschlucken und Strangulieren. Doch nicht nur das: Forscher haben nachgewiesen, […]

Laut einer aktuellen Studie werden jährlich rund zehn Millionen Tonnen Plastikmüll achtlos in die Umwelt, in die Meere entsorgt – direkt oder auf Umwegen und mit drastischen Folgen. Mittlerweile wurden für mehr als 800 Arten von Meereslebewesen negative Auswirkungen durch den Müll nachgewiesen, hauptsächlich durch Verschlucken und Strangulieren. Doch nicht nur das: Forscher haben nachgewiesen, dass sich die Plastikpartikel auch in zahlreichen Fischarten wiederfinden, die dem Menschen als Nahrung dienen. Wir bekommen unseren Müll also wieder zurück – auf unsere Teller.

Robert Vogels Tochter Helene (8) hat das Logo für ihren Papa gezeichnet.

Keine Plastik-Trinkhalme mehr

Heute führt mich ein Facebook-Eintrag, der mich sehr beeindruckt hat, zu Robert Vogel. Vogel ist Gastronom durch und durch, nein, er ist mehr als das, er ist Gastgeber im ureigensten Sinn. Seit über 14 Jahren führt er das Café-Bar Esprit an der Langen Geismarstraße 19. Im Mai dieses Jahres hatte er auf der Esprit-Seite gepostet, dass er in seinem Betrieb ab sofort auf jegliche Plastik-Trinkhalme verzichtet und zahlreiche ausschließlich positive Kommentare dazu erhalten. Ich möchte nun wissen, welche Beweggründe ihn zu seinem Entschluss gebracht haben. „Ich habe schon oft darüber nachgedacht”, sagt Vogel, „wie man Plastik weitestgehend vermeiden kann und mich von den Ein-Liter-Tetrapacks, in denen wir unsere Milch bekamen, verabschiedet. Immerhin 10.000 Stück pro Jahr.” Mir fällt ob der Menge die Kinnlade herunter und ich denke: Das ist nur eine kleine Bar in Göttingen. Wieviel Müll könnte man vermeiden, wenn das Hunderttausende oder gar Millionen Bars und Restaurants weltweit machten?

Umweltbewusst: Gastronom Robert Vogel setzt auf Glas-Trinkhalme. Foto: Christoph Mischke

Recyclingfähig und hygienisch: Glas-Trinkhalme

Den Ausschlag für Vogels Entschlossenheit hat aber letztendlich ein Internet-Video gegeben. Darin wird gezeigt, wie ein Wissenschaftler-Team vor der Küste Costa Ricas einer Meeresschildkröte einen 12 Zentimeter langen Plastikhalm aus der Nase zieht. „Ich habe gesehen, wie dieses Tier leidet“, sagt Vogel, „und das hat mir selbst absolut wehgetan.“ Er fing daraufhin an, Alternativen zum Plastikhalm zu testen: aus Papier, aus Bambus, aus Edelstahl, aus Glas, ja sogar Makkaroni – natürlich ungekocht. Die Entscheidung fiel zugunsten der Glas-Trinkhalme, weil sie nach den Worten des Gastwirts absolut recyclingfähig sind. Hygienisch einwandfrei zu reinigen sind sie außerdem, was eine Untersuchung des Instituts für Mikrobiologie der Universität Göttingen bescheinigt, die Vogel in Auftrag gegeben hatte. „Bei Edelstahl-Halmen kann man ja nicht sicher sein, ob sich nicht doch noch ein Stückchen Rosmarin darin verbirgt, weil man nicht hineinschauen kann“, sagt er lachend. „Pro Tag, und das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, werden drei Milliarden Plastik-Trinkhalme weggeworfen“, weiß Vogel. Er allein hat im Esprit im vergangenen Jahr 41.000 Halme verbraucht und bis jetzt in 2018 schon über 20.000 Stück eingespart. „Natürlich“, sagt Robert Vogel, „kostet ein Glas-Trinkhalm ein Vielfaches eines Plastikhalms, aber ich gehe davon aus, dass sich diese Mehrkosten in eineinhalb Jahren amortisiert haben.“ 200 Glashalme hat er angeschafft, in drei verschiedenen Längen, für Drinks in verschiedenen Glashöhen.

Angenehmes Mundgefühl: Den Esprit-Gästen gefallen die Glashalme. Foto: Christoph Mischke

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Andere Gastronomen folgen Vogels Beispiel

Von seinen Gästen erfährt der umweltbewusste Barbetreiber nur positive Resonanz. Nicht nur wegen seines Umweltbewusstseins, sondern auch wegen des Mundgefühls. Klar, dass ich das selbst einmal testen möchte und bestelle mir einen Heidelbeer-Milchshake. Im ersten Moment ist das Glasröhrchen ungewohnt, aber es fühlt sich tatsächlich sehr angenehm an, da hindurch zu trinken. Für Robert Vogel sind Trinkhalme generell in vielen Getränken überflüssig, wie er mir verrät, „aber wenn der Gast es so möchte, dann bekommt er es selbstverständlich.” Sein ökologisches Bewusstsein hat sich verstärkt, erzählt er mir, als vor acht Jahren seine Tochter Helene geboren wurde. „Wie wir mit unserer Welt umgehen ist unfassbar“, sagt Vogel kopfschüttelnd. „Wer heute nicht ökologisch denkt, dem fehlt ‘ne Gehirnzelle.“ Zu seiner Freude, sagt Vogel mir, sind inzwischen auch andere Gastronomen seinem Beispiel gefolgt und setzen auf gläserne Trinkhalme. Im Monster-Café an der Goetheallee, im Café Wanderfish an der Johannisstraße und in der Herbarium-Bar im Hotel Freigeist am Groner Tor können die Gäste ihre Getränke durch die gläsernen Röhrchen genießen.

Aus dem großen Glas: Gewürze und Kräuter. Foto: Christoph Mischke

Ohne Plastik einkaufen

Noch weiter mit der Vermeidung von Plastikmüll geht Denise Gunkelmann. In ihrem Laden „Wunderbar unverpackt“ an der Groner-Tor-Straße 22 bietet sie Lebensmittel und viele Dinge des täglichen Bedarfs zum Selbstabfüllen und ohne Plastik an. Auch ich versuche zuhause unnötige Plastikverpackungen zu vermeiden, aber, ehrlich gesagt, so richtig konsequent habe ich es noch nicht durchgezogen. Umso neugieriger bin ich, wie es funktionieren kann und verabrede mich mit der Geschäftsführerin.

Lose Ware: Mitarbeiterin Djaya Münsterberg füllt Schokoknuspis ab. Foto: Christoph Mischke

Nur die benötigte Menge

„Das Prinzip“, so erklärt mir Denise, „ist denkbar einfach. Die Kunden wiegen das Leergewicht ihrer mitgebrachten Behältnisse – Dosen, Gläser oder Leinenbeutel. Ein Etikett aus der Waage wird aufgeklebt. Danach füllen sie die gewünschten Waren in der benötigten Menge in die abgewogenen Behälter. An der Kasse werden die befüllten Gefäße erneut gewogen, das Leergewicht laut Etikett abgezogen und nur noch die abgefüllte Ware bezahlt.“ Jo, denke ich, das ist ebenso simpel wie genial, weil ich ja wirklich nur die Menge kaufen kann, die ich zum Kochen oder Backen brauche und später nichts wegwerfen muss.

Gezielt abfüllen: Nur die Menge, die man wirklich braucht. Foto: Christoph Mischke

Alles außer Fleisch

Mein vorher etwas zweifelnder Blick hellt sich auf, als ich die Vielfalt der Produkte genauer betrachte. Es gibt hier wirklich nahezu alles, was man im täglichen Leben an Nahrungsmitteln braucht. Ich sehe Kaffee, Tee, Kakao, Nudeln, Hülsenfrüchte, Reis, Flocken, Müsli, Gewürze, Backzutaten. Auch an frischem Obst, Gemüse, Eiern und Milchprodukten fehlt es nicht. Spätestens der Blick in die Vielfalt der Käsetheke beweist mir, was Denise schon zu Beginn gesagt hatte: „Wir haben alles außer Fleisch.“ Sie selbst ist Vegetarierin und bekommt, wie sie mir sagt, alles, was sie braucht, im eigenen Laden. Erst jetzt entdecke ich auch die Shampoos in fester Form, die Bambus-Zahnbürsten und auch Glas-Trinkhalme, wie sie Robert Vogel im Esprit seinen Gästen anbietet.

Vielfältig: Leckereien aus der Käsetheke. Foto: Christoph Mischke

„Unverpackt“ seit Mai in Göttingen

Als Denise, die gebürtige Göttingerin, 2014 nach Braunschweig ging, fand sie dort über längere Zeit keinen Job. Als ökologisch denkender Mensch suchte sie auch dort nach Möglichkeiten, möglichst plastikfrei einzukaufen. Im Internet hatte sie viel über Unverpackt-Läden gelesen und realisierte schnell, dass es Derartiges in Braunschweig noch nicht gab. Gesagt, getan, im April 2016 eröffnete sie ihren ersten „Wunderbar unverpackt“-Laden an der Fallersleber Straße – mit großem Erfolg, denn „die Menschen suchen solche Einkaufsmöglichkeiten“, sagt sie. Im Mai dieses Jahres eröffnete sie ihren Unverpackt-Laden in Göttingen. Ich erinnere mich gut daran. Es war so rappelvoll, dass sich vor dem Geschäft eine Menschentraube bildete.

Ökologisch bis ins Detail: Geschäftsführerin Denise Gunkelmann. Foto: Christoph Mischke

Höchstmögliche Bio-Qualität

Für ihren Einkauf, sagt mir Denise, gibt es grundsätzliche Kriterien. „Zuerst schauen wir ob und wo es die gewünschten Waren in möglichst großen, plastikfreien Gebinden gibt, um die Lieferfrequenz einzudämmen. Das erfordert eine weitsichtige Planung“, berichtet sie, „denn es macht ja keinen Sinn Plastik einzusparen, aber täglich Lastwagen mit all ihren Negativerscheinungen wie Abgasen oder CO2-Ausstoß durch die Gegend zu schicken. Erst danach bemühen wir uns um die höchstmögliche Regionalität.“ Dabei, so hat sie festgestellt, gibt es inzwischen auch im Ausland hervorragende Bio-Qualität. So kommen beispielsweise die Haselnüsse, in Demeter-Qualität, aus der Türkei, die Pinienkerne aus Russland und die Mandelkerne aus Italien. Der Beweis für die Bemühungen wird spätestens dann erbracht, wenn es um die Entsorgung des eigenen Mülls geht. „Wir kommen tatsächlich mit einem einzigen gelben Sack pro Woche aus“, freut sich die Geschäftsführerin, deren ökologisches Engagement jetzt belohnt worden ist. Am 21. November wurde Denise Gunkelmann für ihre Geschäftsidee ausgezeichnet. Beim 16. Innovationspreis des Landkreises Göttingen belegte sie in der Kategorie “Gründer und Jungunternehmer” den dritten Platz.

Für Genießer: Pasta-Vielfalt zum Selbstabfüllen. Foto: Christoph Mischke

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Christoph Mischke

Ich bin in "Chöttingen cheboren", so wie es wohl Schorse Szültenbürger in seinen vergnügten Geschichten in Göttinger Mundart geschrieben hätte. Ich hatte immer das Glück in meiner Heimatstadt leben und arbeiten zu können und halte es mit dem Historiker August Ludwig von Schlözer, der sagte: "Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita." (Außerhalb Göttingens kann man nicht leben, wenn aber doch, dann nicht so gut).
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