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Von Erhardt bis Tatort: Filmstadt Göttingen

22. September 2022
Am 9. Oktober wird mit "Die Rache an der Welt" wieder ein Göttingen-Tatort über die Bildschirme flimmern. Hauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ermittelt nach ihrer „Strafversetzung“ aus Hannover bereits zum vierten Mal in der Universitätsstadt. Wo heute nur sporadisch gedreht wird, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg, zwischen 1948 bis in die 60er-Jahre hinein, fast 100 Kino-Spielfilme.

Am 9. Oktober wird mit “Die Rache an der Welt” im Ersten wieder ein Göttingen-Tatort über die Bildschirme flimmern. Hauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ermittelt nach ihrer „Strafversetzung“ aus Hannover bereits zum vierten Mal in der Universitätsstadt. Weitere Tatort-Folgen aus Göttingen sind laut dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) geplant. Wo heute nur sporadisch gedreht wird, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg, zwischen 1948 bis in die 60er-Jahre hinein, fast 100 Kino-Spielfilme.

Modernstes Filmatelier Deutschlands

“Klein Hollywood” in Göttingen

Hans Abich und Rolf Thiele gründeten 1946 mit der Filmaufbau GmbH Göttingen das seinerzeit modernste Film-Atelier Deutschlands. Beide wollten einen filmischen Gegenpol zu den Propaganda- und Durchhaltefilmen der Universum Film AG (UFA) setzen. Allerdings mussten Abich und Thiele das firmeneigene Atelier bald verkaufen, nachdem ihr erster Film gefloppt war. Die Hamburger Vereinsbank übernahm den modernen Studiokomplex, gründete die Filmatelier Göttingen GmbH.

Filmstadt Göttingen

Luftaufnahme von 1957: die Göttinger Filmateliers.

Foto: Städtisches Museum

Filmstadt Göttingen

Erinnerungen: Album mit Szenenfotos aus “Liebe 47”.

Foto: privat

Auf dem ehemaligen Flugplatzgelände war nach den Entwürfen des Architekten Walter Haag, eine Art „Klein Hollywood“ entstanden: drei Ateliers mit einer Gesamtfläche von 1500 Quadratmetern. Nahezu pausenlos wurden hier deutsche Kino-Klassiker wie „Liebe 47“, Frauenarzt Dr. Prätorius“, „Der tolle Bomberg“ oder „Rosen für den Staatsanwalt“ produziert.

 

Filmstadt Göttingen

Im Ostviertel: Heinz Erhardt dreht “Der müde Theodor”.

Foto: Städtisches Museum

Stars der deutschen Kinoszene

Die damaligen Stars der deutschen Kino-Szene wie Willy Fritsch, Theo Lingen, Hilde Krahl, Curt Goetz, Dieter Borsche, Ruth Leuwerik oder Walter Giller gaben sich quasi die Klinke der Studiotüren in die Hand. Allen voran Starkomiker Heinz Erhardt. Er drehte zwischen 1956 und 1960 allein acht erfolgreiche Spielfilme in der Stadt. Darunter auch die heute noch beliebten Streifen „Natürlich die Autofahrer“, „Drillinge an Bord“, „Witwer mit fünf Töchtern“ oder „Der müde Theodor“.

 

Filmstadt Göttingen

Tatort: Florence Kasumba und Maria Furtwängler (v.l.) am Set.

Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke

Filmstadt Göttingen

Studi-Proteste: Tatort-Komparsen im Hörsaal der Uni.

 Foto: NDR/Frizzi Kurkhaus

 „Tatort ist Geschenk des Himmels“

Der Göttinger Hörspiel- und Filmproduzent Sven Schreivogel ist nicht nur Heinz-Erhardt-Fan, sondern hat sich als Kenner der Göttinger Filmvergangenheit einen Namen gemacht. Mehr noch: Sven brennt für seine Filmstadt und möchte sie wieder als Drehort für Filme und Fernsehserien aufbauen und vermarkten. „Dass der Tatort in der Stadt, die Wissen schafft, gedreht wird, ist ein Geschenk des Himmels“, sagt er, „so ein Dreh, der auch noch zur Primetime gesendet wird, ist schon ein Ritterschlag.“

Aufgrund seiner geografischen und topografischen Lage ist die Universitätsstadt für Sven der ideale Drehort. „Göttingen ist nicht nur malerisch, sondern so viel mehr als das niedliche Fachwerkstädtchen“, sagt der Filmkenner. „Ich möchte die Stadt als Drehort, Kulisse und Handlungsort nachhaltig etablieren.“ Für den überzeugten Göttinger geht es darum, Stoffe mit Tiefe zu entwickeln, die zwar göttingenspezifisch, aber von überregionaler Bedeutung sind.

 

Gesprächsstoff: Göttingen als Kulisse

Theaterplatz und Weender Tor im Film

Svens Begeisterung für die Filmstadt Göttingen hat ihren Ursprung bereits in seiner Jugendzeit. 1972 im Stadtteil Grone geboren, wuchs er in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Filmstudios auf. Er erinnert sich noch ganz genau an den 20. Februar 1984. An jenem Montag zeigte das ZDF um 20.15 Uhr die Heinz-Erhardt-Komödie „Natürlich die Autofahrer“. „Am folgenden Tag war der Film bei uns in der Lutherschule das Gesprächsthema Nummer eins. Göttingen war im Fernsehen zu sehen gewesen. Und das nicht nur in irgendwelchen Studioaufnahmen. Nein, die Stadt selbst diente als Kulisse.

Filmstadt Göttingen

Natürlich die Autofahrer: Die Verfolgungsjagd endet für Heinz Erhardt am Theaterplatz.

Foto: Karl-May-Archiv

Filmstadt Göttingen

Szene am Weender Tor, wo heute das Erhardt-Denkmal steht.

Foto: Heinzerhardtfreun.de/Helfrich

Der Theaterplatz, die Kreuzung am Weender Tor oder auch ein entstehendes Wohngebiet im Osten der Stadt waren in dem erfolgreichen Streifen zu sehen.“ Von da an hatte es ihn gepackt. Schul-Projekttagen am Max-Planck-Gymnasium (MPG), die sein Lehrer und heutige Leiter des Göttinger Karl-May-Archivs, Michael Petzel, seinerzeit initiierte, folgte eine Film-AG. Sven ließ sich am Deutschen Theater (DT) zum Schauspieler ausbilden.

Filmbüro Göttingen

1993 gründete er mit der „Filmwerkstatt Göttingen“ einen Verein zur Vernetzung von Filmschaffenden. 1996/97 drehte er den Spielfilm „Der Seelenspiegel“ in Göttingen und Umgebung. 1999 erhielt er vom NDR eine Drehbuchförderung für die Dokumentation „Hollywood an der Leine – Die Geschichte der Filmstadt Göttingen“. Sein Filmbüro Göttingen arbeitet, wenngleich nicht wissenschaftlich, aber historisch korrekt, die cineastische Vergangenheit der Stadt auf.

 

Filmstadt Göttingen

Um 1950: die Pforte der Göttinger Filmateliers.

Foto: Städtisches Museum

Stalingrad im Studio

Sven ist ein Füllhorn an Wissen über diese Zeit, hat zahllose Daten, Geschichten und Anekdoten parat – ein lebendiges Lexikon der Göttinger Film-Szene. Für den Antikriegsfilm „Hunde wollt ihr ewig leben“ aus dem Jahr 1959, die größte Göttinger Produktion, war die komplette Kulisse des Roten Platzes von Stalingrad auf dem Göttinger Studio-Areal aufgebaut worden.

 

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Filmstadt Göttingen

Kulissenskizze von Walter Haag für “Natürlich die Autofahrer”.

Foto: Städtisches Museum

Es wurde scharf geschossen

„Da wurde sogar scharf geschossen“, weiß Sven, „und der geniale Berliner Filmarchitekt Walter Haag, der inzwischen in Göttingen wohnte, ist für die Ausstattung des Klassikers mit dem Deutschen Filmpreis in Silber geehrt worden. Leider ist diese Auszeichnung abhanden gekommen und wir suchen noch nach ihr.“ In Haags ehemaliger Unterkunft in Grone wurden allerdings andere cineastische Kostbarkeiten entdeckt. 30 bis 40 Kartons mit seinen Originalzeichnungen und Entwürfen zu diversen Dekorationen und Filmausstattungen. „Die gilt es jetzt zu digitalisieren, um sie der Nachwelt zu erhalten. Genauso wie die über 2.000 Abbildungen, die bereits gescannt worden sind, darunter Stand- und Werkfotos, Plakate und Werbung.

Die Ostsee am Kiessee

Darsteller stundenlang im Wasser

Sven kennt viele Geschichtchen rund um die Dreharbeiten in Göttingen. Am Kiessee filmte das Team um Regisseur Frank Wisbar die Anfangsszene von „Nacht fiel über Gotenhafen“ von 1959, wie er berichtet. Stundenlang hätten die Darsteller von Toten und Verwundeten des von der Roten Armee in der Ostsee versenkten Lazarett- und Truppentransportschiffs „Wilhelm Gustloff“ nachts im Wasser des Sees und angestrahlt von Suchscheinwerfern aushalten müssen, bis die Szenen im Kasten waren.

Filmstadt Göttingen

Gedreht im Wassertank: dramatische Szene auf der Wilhelm Gustloff.

Foto: Städtisches Museum

Filmstadt Göttingen

Heinz Erhardt und Kathrin Ackermann in “Drillinge an Bord”.

Foto: Städtisches Museum

Wartezeit mit Alkohol überbrückt

Oder die Sache mit Heinz Erhardt und Trude Herr bei der Produktion von „Drillinge an Bord“. Beide Protagonisten mussten extrem lange auf ihre Szene warten und überbrückten diese Zeit in der Atelierkantine. Dort sprachen sie, Erhardts Tagebuch zufolge, wohl so heftig dem Alkohol zu, dass sie am Ende ziemlich betrunken waren. „Gedreht wurde anschließend aber trotzdem“, sagt Sven lachend.

 

Heinz-Erhardt-Denkmal gestohlen

Hauptwachtmeister Dobermann in Lebensgröße

„Überhaupt, Heinz Erhardt“, erzählt Sven, „er ist das Gesicht der Göttinger Filmgeschichte. Kein anderer hat hier so viele Filme gedreht, wie er.“ Eine Alu-Dibond-Stele auf einem Metall-Sockel am Weender Tor erinnert seit 2003 an den 1979 verstorbenen Schauspieler.

Filmstadt Göttingen

Kenner der Göttinger Filmgeschichte: Sven Schreivogel am Heinz-Erhardt-Denkmal.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Filmstadt Göttingen

Großes Medieninteresse: Neuaufstellung der Heinz-Erhardt-Stele.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Sie zeigt ihn in seiner Rolle als Polizeihauptwachtmeister Eberhard Dobermann in „Natürlich die Autofahrer“, wie er an ebendieser Kreuzung im Film den Verkehr regelt.

Patenschaft durch Polizeikommissariat Göttingen

Groß und überregional war der mediale Aufschrei, als Unbekannte Mitte September 2019 die Figur vom Sockel gerissen und gestohlen haben. Ausgerechnet im 60. Jubiläumsjahr der Entstehung des Films. Wochen später wurde sie von einer Spaziergängerin wundersamerweise ganz in der Nähe wiedergefunden. Ein Göttinger Unternehmen hat die Stele repariert und mit wirkungsvollen Maßnahmen gegen erneuten Diebstahl gesichert. Am 5. November 2019 wurde das Denkmal, dessen Patenschaft übrigens das Polizeikommissariat Göttingen übernommen hatte, abermals unter großem Interesse der Medien, wieder am alten Platz aufgestellt.

Filmstadt Göttingen

Am Set Max-Planck-Gymnasium (v.l.): Maria Furtwängler und Florence Kasumba.

Foto: NDR/Frizzi Kurkhaus

Erhardts Humor war zeitlos

„Erhardt war brillant in der Beobachtung, sein Humor war zeitlos, wie sein filmisches Schaffen von Mitte der 50er-Jahre bis in die Siebziger beweist“, sagt Sven. „Seine Filme sind heute noch beliebt und manche seiner Sprüche sind inzwischen zum geflügelten Wort geworden.“ So lustig seine Filmfiguren auch waren, privat war der Schauspieler eher ein introvertierter, ernster Mensch. „Er war ein hervorragender Musiker und wollte eigentlich Pianist werden“, weiß Sven und zieht Parallelen zu Helge Schneider. Auch ein brillanter Musiker, der in einem anderen Gewerk berühmt geworden ist.

Filmstadt Göttingen

Von der Schule zur Polizeiwache: nächtlicher Blaulicht-Dreh am MPG.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Tatort am Max-Planck-Gymnasium

Das wird mit Maria Furtwängler wohl nicht passieren, obwohl sie inzwischen ein paar Mal als Gesangspartnerin von Udo Lindenberg aufgetreten ist. Und schon schließt sich der Kreis. Interessanterweise wurde der Tatort “National feminin” unter anderem am MPG, Svens ehemaliger Schule, und nur ein paar Meter entfernt vom Kandelaber am Theaterplatz gedreht, wo Erhardt in seiner Polizisten-Rolle wiederum Dreharbeiten zu einem Kriminalfilm stört, weil er die flüchtenden Verbrecher für echt hält. Ein Zeichen für die Zukunft von Göttingen als Filmstadt? Vielleicht.

Initiative Drehort Göttingen

Kontakte zur Film- und Fernsehszene

Sven verfügt über zahllose Kontakte zur Film- und Fernsehszene und ist ein Meister im Netzwerken. „Natürlich geht so etwas nicht im Alleingang“, sagt er. Seit August 2019 hat er mit der „Initiative Drehort Göttingen“ ein namhaftes Kreativteam zusammengebracht.

Filmstadt Göttingen

Fake: Für den Tatort-Dreh wird die Geschwister-Scholl-Gesamtschule zur Alfred-Stern-Schule.

Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke

Filmstadt Göttingen

Doku: Sven Schreivogel zeigt einem NDR-Team erhaltene Teile der Filmateliers.

Foto: Filmbüro Göttingen

Dabei sind unter anderen Patrick Caputo, Regisseur der Telenovela „Rote Rosen“, Schauspielerin Natalie O’Hara („Der Bergdoktor“), TV-Journalist Ekkehard Sieker („Die Anstalt“), Produzentin Silke Winter (Talpa Germany, Berlin) und einige Göttinger Medienschaffende.

Filmlocation des Monats

Regelmäßig trifft sich die elfköpfige Gruppe zu kreativen Meetings, die unter anderem das Zusammentragen von möglichen Film- und Serienstoffen, die für Göttingen typisch und geeignet sind, zum Inhalt haben. Auf ihren Touren durch die Stadt besucht die Gruppe ehemalige und zukünftige potenzielle Dreh- und Handlungsorte in der Stadt. Ein Zeichen dafür, dass die Initiative auf dem richtigen Weg ist: Anfang September dieses Jahres haben die “German Film Commissions” Göttingen als Filmlocation des Monats ausgezeichnet. Einen fixen Termin für das kommende Jahr hat Sven auch noch. „Am 21. August 2023 werden wir in Göttingen eine Ausstellung mit zahlreichen Exponaten aus der Göttinger Filmgeschichte eröffnen, denn dann feiern wir 75 Jahre Filmstadt Göttingen.”

 

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